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George Orwell 1984 - staticfly.net

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Abordnung der Jugendliga eingenommen, die von morgens bis<br />

abends vor dem Gerichtsgebäude Stellung bezog und in<br />

Abständen in den Ruf ausbrach: »Tod den Verrätern!«<br />

Während der Zwei-Minuten-Hass-Sendung tat sie sich immer<br />

vor allen anderen darin hervor, Verwünschungen gegen<br />

Goldstein auszustoßen. Trotzdem hatte sie nur ganz unklare<br />

Vorstellungen davon, wer Goldstein überhaupt war und welche<br />

Doktrin er angeblich vertrat. Sie war nach der Revolution<br />

aufgewachsen und zu jung, um sich noch an die ideologischen<br />

Kämpfe der fünfziger und sechziger Jahre zu erinnern. So etwas<br />

wie eine unabhängige politische Bewegung ging über ihr<br />

Vorstellungsvermögen hinaus: Die Partei blieb ein für allemal<br />

unbesieglich. Sie würde immer da sein, und alles würde immer<br />

so bleiben, wie es war. Man konnte sich nur durch geheimen<br />

Ungehorsam dagegen auflehnen oder höchstens durch einzelne<br />

Terrorakte - indem man jemand umbrachte oder etwas in die<br />

Luft sprengte.<br />

In mancher Beziehung sah sie viel klarer als Winston und war<br />

weit weniger für Parteipropaganda empfänglich. Als er einmal<br />

zufällig in irgendeinem Zusammenhang die Rede auf den Krieg<br />

gegen Eurasien brachte, verblüffte sie ihn, indem sie ganz<br />

beiläufig sagte, ihrer Meinung nach gebe es diesen Krieg<br />

überhaupt nicht.<br />

Die täglich in London einschlagenden Raketenbomben<br />

würden vermutlich von der Regierung Ozeaniens selbst<br />

abgefeuert, »nur um die Leute in Furcht und Schrecken zu<br />

halten«. Das war ein Gedanke, der ihm buchstäblich noch nie in<br />

den Sinn gekommen war. Sie weckte auch so etwas wie Neid in<br />

ihm durch ihre Bemerkung, sie habe alle Mühe, während der<br />

Zwei-Minuten-Hass-Sendung nicht lachend herauszuplatzen. Sie<br />

stellte aber die Parteidoktrin nur in Frage, wenn sie irgendwie<br />

ihr eigenes Leben berührte.<br />

Oft nahm sie die amtliche Phantasiedarstellung einfach<br />

deshalb bereitwillig hin, weil ihr der Unterschied zwischen<br />

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