27.10.2013 Aufrufe

George Orwell 1984 - staticfly.net

George Orwell 1984 - staticfly.net

George Orwell 1984 - staticfly.net

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

was man tat oder was man unterließ. Was auch geschehen war,<br />

eines Tages verschwand man von der Bildfläche, und weder von<br />

dem einzelnen Menschen noch von dem, was er getan, war<br />

jemals wieder etwas zu hören. Man wurde einfach aus der<br />

Geschichte gestrichen. Zwei Generationen früher wäre das dem<br />

Menschen nicht so ungeheuer wichtig vorgekommen, denn<br />

damals versuchten sie nicht, die Geschichte zu ändern. Sie<br />

ließen sich durch selbstauferlegte Sittengesetze lenken, die von<br />

ihnen nicht in Frage gestellt wurden. Wichtig waren nur<br />

menschliche Beziehungen: eine vollkommen zweckfreie Tat,<br />

eine Umarmung, eine Träne, ein zu einem Sterbenden<br />

gesprochenes Trostwort konnten an sich wertvoll sein. Die<br />

Proles, kam ihm plötzlich zum Bewusstsein, hatten sich diesen<br />

Zustand bewahrt. Sie waren nicht einer Partei oder einem Land<br />

oder einer Idee ergeben, sondern sich selber treu.<br />

Zum erstenmal in seinem Leben verachtete er die Proles nicht,<br />

dachte an sie nicht lediglich als an eine dumpfe Kraft, die eines<br />

Tages erwachen und die Welt erneuern würde. Die Proles waren<br />

menschlich geblieben. Sie waren nicht innerlich verhärtet. Sie<br />

hatten sich die primitiven Gefühle erhalten, die er mit<br />

bewusstem Bemühen wiedererlernen musste. Und bei diesen<br />

Überlegungen fiel ihm ohne erkennbaren Zusammenhang ein,<br />

wie er vor ein paar Wochen eine abgerissene Hand auf dem<br />

Pflaster liegen gesehen und sie mit einem Fußtritt in den<br />

Rinnstein geschleudert hatte, als wäre sie ein Kohlstrunk<br />

gewesen.<br />

»Die Proles sind Menschen«, sagte er laut. »Wir sind keine<br />

Menschen.«<br />

»Warum nicht?« fragte Julia, die wieder aufgewacht war.<br />

Er dachte eine Weile nach. »Ist dir je bewusst geworden«,<br />

sagte er, »dass es für uns das beste wäre, einfach hier<br />

wegzugehen, bevor es zu spät ist, und einander nie mehr<br />

wiederzusehen?«<br />

-196-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!