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George Orwell 1984 - staticfly.net

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Hörner in einem solchen Winkel gewachsen sind, dass sie<br />

einander nicht verletzen können. Wenn er aber auch nur ein<br />

Scheingefecht ist, so ist er doch nicht zwecklos. Durch ihn wird<br />

der Überschuss von Gebrauchsgütern verbraucht, und er hilft<br />

die besondere geistige Atmosphäre aufrechtzuerhalten, die eine<br />

hierarchische Gesellschaftsordnung braucht. Der Krieg ist jetzt,<br />

wie man sehen wird, eine rein innenpolitische Angelegenheit. In<br />

der Vergangenheit kämpften die herrschenden Gruppen aller<br />

Länder, wenn sie auch ihr gemeinsames Interesse erkennen und<br />

deshalb die Zerstörungswirkung des Krieges beschränken<br />

mochten, doch eine gegen die andere, und immer brandschatzte<br />

der Sieger den Besiegten. Heutzutage kämpfen sie überhaupt<br />

nicht gegeneinander. Der Krieg wird von jeder herrschenden<br />

Gruppe gegen ihre eigenen Anhänger geführt, und das<br />

Kriegsziel ist nicht, Gebietseroberungen zu machen oder zu<br />

verhindern, sondern die Gesellschaftsstruktur intakt zu erhalten.<br />

Infolgedessen ist schon das Wort »Krieg« irreführend<br />

geworden.<br />

Es wäre vermutlich richtig zu sagen, der Krieg habe dadurch,<br />

dass er ein Dauerzustand wurde, aufgehört zu existieren. Der<br />

charakteristische Druck, den er zwischen dem späteren<br />

Steinzeitalter und dem anfänglichen zwanzigsten Jahrhundert<br />

auf die Menschen ausgeübt hat, ist verschwunden und wurde<br />

durch etwas ganz anderes ersetzt. Die Wirkung wäre die<br />

gleiche, wenn die drei Superstaaten, anstatt einander zu<br />

bekämpfen, übereinkämen, in dauerndem Friedenszustand zu<br />

leben, wobei jeder unangefochten innerhalb seiner eigenen<br />

Grenzen bleibt. Denn in diesem Falle wäre jeder eine in sich<br />

abgeschlossene Welt, für immer von dem hemmenden Einfluss<br />

einer von außen drohenden Gefahr befreit. Ein wirklich<br />

dauerhafter Friede wäre das gleiche wie dauernder Krieg. Das<br />

ist – wenn auch die große Mehrheit der Parteimitglieder es nur<br />

in einem seichteren Sinne versteht - der tiefere Sinn des<br />

Parteischlagwortes:<br />

-238-

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