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Christoph Pfister Bern und die alten Eidgenossen - Dillum

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Die Vergiftung der Kinder des letzten Zähringers<br />

Die angebliche Vergiftung der beiden männlichen Erben des letzten Zähringers<br />

durch neidische Adelige ist eine wohlkalkulierte Episode der Geschichtserfindung<br />

<strong>und</strong> braucht nicht länger behandelt zu werden.<br />

Die farbenprächtige Abbildung <strong>die</strong>ser Episode in der Spiezer Chronik aber ver<strong>die</strong>nt<br />

eine besondere Betrachtung.<br />

Man sieht <strong>die</strong> beiden Zähringer Kinder vergiftet am Boden liegen. Die geöffneten<br />

Röcke zeigen sie als Vertreter des männlichen Geschlechts. Neben den toten Kindern<br />

liegen <strong>die</strong> verschütteten Kelche, aus denen Schlangen züngeln. - Ein Fre<strong>und</strong><br />

des Herzogs zeigt auf <strong>die</strong> Leichen <strong>und</strong> blickt gleichzeitig dem Giftmischer in <strong>die</strong> Augen.<br />

Dieser hält noch den Mörser in der Hand, mit welchem er <strong>die</strong> tödlichen Substanzen<br />

gemischt hat.<br />

Neben zwei weiteren Männern erkennt man hinter einem reich gedeckten r<strong>und</strong>en<br />

Tisch zwei elegante Damen. Die eine – offenbar <strong>die</strong> Zofe – schaut dem schrecklichen<br />

Geschehen gelangweilt zu.<br />

Besonders interessant ist links neben der Dienerin <strong>die</strong> Herzogin von Zähringen – es<br />

muß Clementia von Auxonne sein – <strong>die</strong> Gemahlin Berchtolds V. Diese ist entsetzt<br />

aufgesprungen <strong>und</strong> verwirft in theatralischer Pose <strong>die</strong> Hände über ihrem Kopf. Das<br />

kostbare grüne Gewand verrät den vornehmen Status der Frau. – Mit ihrem Ausschnitt<br />

zeigt sie sogar eine erotische Ausstrahlung.<br />

Der Künstler hat <strong>die</strong> fürchterliche Geschichte von der Vergiftung der Erben des letzten<br />

Herzogs von Zähringen meisterlich in einem Bild zusammengefaßt – <strong>und</strong><br />

scheint gleichzeitig <strong>die</strong> ganze Episode lächerlich zu machen.<br />

Die Illustration wirkt bei längerem Zusehen wie eine Karikatur. Man meint, der<br />

Zeichner wollte sich insgeheim Luft machen über <strong>die</strong>sen unsäglichen Wust von historischen<br />

Märchen, Sagen <strong>und</strong> Legenden, den er ausschmücken mußte.<br />

Der Spiezer Schilling – richtig Justingers illustrierte <strong>Bern</strong>er Chronik – kann aus stilkritischen<br />

Gründen erst nach der Mitte des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts entstanden sein.<br />

Ein Nachtrag zur erf<strong>und</strong>enen Zähringer-Geschichte sei erlaubt:<br />

Das Geschlecht soll „1218“ ausgestorben sein. – Aber bereits „1208“ hätten <strong>die</strong> verräterischen<br />

Adeligen einen Anschlag auf Herzog Berchtold verübt: Im Wallis warfen<br />

sie Felsbrocken auf ihn. Nur mit knapper Not habe sich der Zähringer retten können<br />

(Berchtoldus a nobilitate proditus vix evasit per praerupta Valesiae saxa). (Chronologia<br />

Helvetica, 25).<br />

Justinger wollte deshalb <strong>Bern</strong>s Handfeste zuerst „1208“ ansetzen.

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