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Christoph Pfister Bern und die alten Eidgenossen - Dillum

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nen, für ihn ein erzählerisches Kunstwerk von Rang, das aber mit<br />

den konkreten Ereignissen zu Ende des 13. Jahrh<strong>und</strong>erts nichts zu<br />

tun hat (Koller, 243).<br />

Koller analysiert <strong>die</strong>se Chronik als literarisches Werk <strong>und</strong> sucht in<br />

den einzelnen Motiven nach humanistischen Entsprechungen.<br />

Schon in der Befreiungsgeschichte der Waldstätte in ihrer Gesamtheit<br />

erkennt Koller das humanistische Motiv des Kampfes freier<br />

Kommunen gegen <strong>die</strong> Tyrannei.<br />

In den einzelnen Geschichten des Weißen Buches sieht Koller verblüffende<br />

Parallelitäten zu Erzählungen in biblischen <strong>und</strong> antiken<br />

Schriften.<br />

Die Geschichte von dem Bauern im Melchi, dem der Landvogt von<br />

Sarnen ungerechterweise ein paar Ochsen stiehlt, spiele klar auf <strong>die</strong><br />

Abschiedsrede des <strong>alten</strong> Samuel vor Israel an:<br />

Wessen Rind oder wessen Esel habe ich genommen? Wen habe ich<br />

bedrückt <strong>und</strong> wem Gewalt angetan? (1. Samuel, 12, 3).<br />

Die Nötigung der Frau aus Altsellen entspricht der Geschichte von<br />

der Schändung der Lucretia, wie sie Livius (I, 57 ff.) schildert.<br />

Hier kann man ergänzen, daß schon <strong>die</strong> Aufschlüsselung des Namens<br />

den Bezug schafft. ALTSELLEN = LTSLM <strong>und</strong> LUCRETIAM =<br />

LCRTM ergeben eine ähnliche Konsonantenreihe.<br />

Sowohl Tell wie der alte Bauer im Melchi haben je einen Sohn, was<br />

nach Koller nicht eine individuelle, sondern eine typisierte Vater-<br />

Sohn-Beziehung wiedergibt.<br />

Das Stauffacher Paar verkörpere das humanistische Ideal eines einträglichen<br />

ehelichen <strong>und</strong> häuslichen Lebens.<br />

Das Motiv des Burgenbruchs hat nach Koller folgenden Hintergr<strong>und</strong><br />

im Geist der Renaissance: Die Burg sei zuerst Zufluchtsort für <strong>die</strong><br />

Bevölkerung gewesen, von den Tyrannen aber usurpiert <strong>und</strong> zur<br />

Stätte des Lasters <strong>und</strong> des Verbrechens gemacht worden.<br />

Als Fazit ergibt sich: Wo man hingreift, entpuppen sich <strong>die</strong> angeblich<br />

volkstümlichen Motive als Elemente eines Diskurses auf gelehrter<br />

oder gebildeter Ebene, <strong>die</strong> hier sehr gekonnt adaptiert worden sind<br />

(Koller, 251).<br />

Die Schwächen in Kollers Beweisführung sollen nicht verschwiegen<br />

werden.

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