Christoph Pfister Bern und die alten Eidgenossen - Dillum

231
Erkennt niemand, daß GRANICOS und GRANDSON gleiche Namen
sind? Sieht niemand, daß in der ganzen Weltgeschichte nur zwei
Fürsten die Unvorsichtigkeit begangen haben, auf ihre Feldzüge den
ganzen Staatsschatz und alle ihre Kostbarkeiten mitzunehmen?
Die angesprochenen Parallelitäten müssen vorsichtig entwirrt werden.
Eben wurde gesagt, daß Karl der Kühne parallel zu Alexander
dem Grossen zu setzen sei. Jetzt ergibt sich, daß der Perserkönig –
also Alexanders Gegner – die Züge des Burgunderherzogs trägt.
Die Unmöglichkeit eines Burgunderreiches im westeuropäischen
Spätmittelalter und eines Burgunderkrieges kann mit ein paar kritischen
Überlegungen widerlegt werden.
Angeblich soll das Herzogtum Burgund „1363“ entstanden sein, als
das französische Königshaus der Valois, die burgundischen Lande
einem Seitenzweig als Apanage übergab. – Aber welcher machtbewußte
König entläßt schon bedeutendes Krongut in die de facto-
Selbständigkeit?
Innerhalb eines Jahrhunderts soll dieses sagenhafte Burgund zu einer
bedeutenden Mittelmacht zwischen Frankreich, England und
dem Deutschen Reich aufgestiegen sein.
Dem märchenhaften Reichtum der „Burgunder“ steht die betrübliche
Feststellung gegenüber, daß dieses Gebiet Zeit seiner Existenz unbestimmt
in seinen Grenzen war und nie etwas besaß, was man
heute Infrastruktur nennt. - Aus welchen zentralen Orten der wirtschaftliche
Reichtum des Herzogtums erwirtschaftet wurde, bleibt
unbestimmt. War es Brüssel, Dijon oder Dôle?
Nach Philipp dem Guten, „gestorben 1467“, soll sein Sohn Karl der
Kühne das Herzogtum zum Zenith geführt, aber durch Vermessenheit
– eben Kühnheit (lateinisch: temeritatem, temeritas) - ins Verderben
geführt haben. Der dreijährige Burgunderkrieg von „1474 bis
1477“ besiegelte das Ende. Das Herzogtum wurde aufgeteilt.
Doch: Feldzüge von solcher zeitlicher Ausdehnung sind im Mittelalter
höchst selten und können nur mit den Kreuzzügen und den deutschen
Kaiserfahrten nach Italien verglichen werden (Deuchler, 4).
Noch merkwürdiger ist der Umstand, daß sich Karl der Kühne mit
seinem Heer nicht gegen die wirklich gefährlichen Feinde, also
Frankreich und das Deutsche Reich, sondern gegen die unbedeutenden
Eidgenossen wandte und dort verlor: Diese gewaltige
Kriegsmaschinerie zerschellte, für alle Beteiligten höchst überra-