Christoph Pfister Bern und die alten Eidgenossen - Dillum

280
Hier wird ständig auf die erfundene Geschichte hingewiesen. – Das
ist richtig in dem Sinne, daß alle Geschehnisse vor der historischen
Zeitbarriere inhaltlich und zeitlich unbestimmbar sind.
Doch nicht alle Ereignisse, welche die Geschichtserfindung erzählt,
sind erfunden.
Auch der Schwabenkrieg muß einen realen Kern haben.
Läßt man die absurde konventionelle Chronologie beiseite und
schiebt das Römische oder das Spätrömische Reich zeitlich unmittelbar
an die werdende Schwyzer Eidgenossenschaft, so ergibt sich
ein überraschendes neues Bild.
Das große Ereignis der spätrömischen Zeit in der späteren Schweiz
war die Befestigung der Rheingrenze.
Angeblich unter dem Triumvirat Valentinian, Valens und Gratian soll
die Rheingrenze gegen Norden und Osten befestigt worden sein
(Abbildung 6, oben).
Von Basel bis Liechtenstein wurde am linken Rheinufer bis zum Bodensee
eine dichte Kette von Wachttürmen und Kastellen errichtet.
Die Kastelle von Kaiseraugst, Zurzach, Eschenz und Arbon waren
die Ankerpunkte dieser Postenkette.
Die rückwärtigen Kastelle von Solothurn, Frick, Olten, Brugg-
Altenburg, Kloten, Zürich-Lindenhof, Oberwinterthur, Irgenhausen,
Pfyn und Schaan ergänzten dieses ausgeklügelte Verteidigungsdispositiv.
Wir erkennen immer mehr, daß die „Römerzeit“ in einem fast dramatisch
kurzen Wandel in das Mittelalter oder besser gesagt in die
Neuzeit ausgelaufen ist.
Die helvetischen Krieger sind als römische Legionäre ins Feld gezogen
und als Eidgenossen nach Hause gekehrt, könnte man überspitzt
ausdrücken.
Die spätrömische Verteidigungslinie am Rhein richtete sich nicht gegen
imaginäre Barbaren, sondern gegen das Römische Reich, dessen
Zentrum sich damals bereits nach Germanien verlagert hatte.
Frankreich und England hatten sich offenbar ebenfalls schon vom
Imperium losgelöst. Die Eidgenossen oder ihre Vorläufer taten es ihnen
gleich.