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Christoph Pfister Bern und die alten Eidgenossen - Dillum

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Das angebliche <strong>Bern</strong>er Predigt-Mandat von „1523“<br />

Mit Datum Viti <strong>und</strong> Modesti („15. Juni 1523“) ließ <strong>die</strong> <strong>Bern</strong>er Regierung ein Mandat<br />

an alle Geistlichen, Vögte <strong>und</strong> Regierungsmitglieder drucken, worin sie offiziell Stellung<br />

zu den immer stärker werdenden reformatorischen Tendenzen nahm.<br />

Das Dekret fordert <strong>die</strong> Geistlichen auf, nur das zu predigen, was in den vier Evangelien,<br />

dem heiligen Paulus, den Propheten <strong>und</strong> dem Alten <strong>und</strong> Neuen Testament<br />

steht. – Im Besonderen solle man alles auslassen, was vom Luther oder anderen<br />

Doctoribus geschrieben <strong>und</strong> gesagt werde.<br />

Da <strong>Bern</strong> zu <strong>die</strong>ser Zeit noch keine eigene Druckerei besaß, wurde das Mandat in<br />

Basel gedruckt – angeblich in einer Auflage von tausend Stück. – Erh<strong>alten</strong> hat sich<br />

aber heute nur noch ein Exemplar.<br />

An <strong>die</strong>ser Geschichte stimmt überhaupt nichts:<br />

Die Reformation - oder besser gesagt <strong>die</strong> Glaubensspaltung - kann erst im 18.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert stattgef<strong>und</strong>en haben.<br />

Der Buchdruck ist sicher ebenfalls erst um <strong>die</strong>se Zeit aufgekommen.<br />

Die biblischen Schriften, auf welche das Mandat Bezug nimmt, haben auch erst um<br />

<strong>die</strong>se Zeit existiert.<br />

Aber das Ungeheuerlichste an <strong>die</strong>sem Druck ist <strong>die</strong> Initiale W für Wir.<br />

Der Anfangsbuchstabe hat als Hintergr<strong>und</strong> ein Bildchen mit einer Darstellung von<br />

Tells Apfelschuß! – Man glaubt sogar sicher zu sein, daß der <strong>Bern</strong>er Künstler <strong>und</strong><br />

Dichter Niklaus Manuel Deutsch <strong>die</strong>se Grafik geschaffen habe.<br />

Die Tell-Sage ist wie <strong>die</strong> ältesten chronikalischen Aufzeichnungen erst vielleicht<br />

1740 schriftlich <strong>und</strong> bildlich greifbar.<br />

Die Fälscher <strong>die</strong>ses Mandats meinten wohl, mit einem Bild von Wilhelm Tell ein so<br />

frühes Datum des Druckes besser begründen zu können. Geschichtsanalytisch aber<br />

entlarven sie sich eben dadurch.<br />

Gewisse Passagen des Mandats sind sogar amüsant zu lesen:<br />

Beispielsweise steht geschrieben, daß es gewissenhafte Prediger gebe, <strong>die</strong> dann<br />

aber von anderen Ketzer, Schelme <strong>und</strong> (Spitz-)Buben genannt werden!

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