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Die Weltraetsel

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55525 Haeckel: <strong>Die</strong> Welträtsel<br />

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die Hunderte von prächtigen Kapellen, die Tausende<br />

von Marmorstatuen christlicher Heiligen und Märtyrer,<br />

die Millionen von schönen Heiligenbildern, von<br />

tiefempfundenen Darstellungen von Christus und der<br />

Madonna – sie zeugen alle von einer Entwicklung der<br />

schönen Künste im Mittelalter, die in ihrer Art einzig<br />

ist. Alle diese herrlichen Denkmäler der bildenden<br />

Kunst, ebenso wie die der Dichtkunst, behalten ihren<br />

hohen ästhetischen Wert, gleichviel, wie wir die darin<br />

enthaltene Mischung von »Wahrheit und Dichtung«<br />

beurteilen. Aber was hat das alles mit der reinen Christenlehre<br />

zu tun, mit jener Religion der Entsagung,<br />

welche von allem irdischen Prunk und Glanz, von<br />

aller materiellen Schönheit und Kunst sich abwendete,<br />

welche das Familienleben und die Frauenliebe gering<br />

schätzte, welche allein die Sorge um die immateriellen<br />

Güter des »ewigen Lebens« predigte? Der Begriff<br />

der »christlichen Kunst« ist eigentlich ein Widerspruch<br />

in sich, eine »Contradictio in adjecto«. <strong>Die</strong> reichen<br />

Kirchenfürsten freilich, welche dieselbe pflegten,<br />

verfolgten damit ganz andere Zwecke, und sie erreichten<br />

sie auch vollständig. Indem sie das ganze Interesse<br />

und Streben des menschlichen Geistes im Mittelalter<br />

auf die christliche Kirche und deren eigentümliche<br />

Kunst lenkten, wendeten sie dasselbe von der<br />

Natur ab und von der Erkenntnis der hier verborgenen<br />

Schätze, die zu selbständiger Wissenschaft geführt<br />

Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie

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