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Die Weltraetsel

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55544 Haeckel: <strong>Die</strong> Welträtsel<br />

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sich vergebens bemüht, diese auffälligen und<br />

schmerzlich empfundenen Widersprüche durch künstliche<br />

Deutungen auszugleichen. Wir brauchen daher<br />

hier nicht darauf einzugehen, müssen aber wohl kurz<br />

auf jene bedauerlichen Seiten der christlichen Lehre<br />

hinweisen, welche mit der besseren Weltanschauung<br />

der Neuzeit unverträglich und bezüglich ihrer praktischen<br />

Konsequenzen geradezu schädlich sind. Dahin<br />

gehört die Verachtung der christlichen Moral gegen<br />

das eigene Individuum, gegen den Leib, die Natur, die<br />

Kultur, die Familie und die Frau.<br />

I. <strong>Die</strong> Selbstverachtung des Christentums. Als<br />

obersten und wichtigsten Mißgriff der christlichen<br />

Ethik, welcher die Goldene Regel geradezu aufhebt,<br />

müssen wir die Übertreibung der Nächstenliebe auf<br />

Kosten der Selbstliebe betrachten. Das Christentum<br />

bekämpft und verwirft den Egoismus im Prinzip, und<br />

doch ist dieser Naturtrieb zur Selbsterhaltung absolut<br />

unentbehrlich; ja, man kann sagen, daß auch der Altruismus,<br />

sein scheinbares Gegenteil, im Grunde ein<br />

verfeinerter Egoismus ist. Nichts Großes, nichts Erhabenes<br />

ist jemals ohne Egoismus geschehen und ohne<br />

die Leidenschaft, welche uns zu großen Opfern befähigt.<br />

Nur die Ausschreitungen dieser Triebe sind verwerflich.<br />

Zu denjenigen christlichen Geboten, welche<br />

uns in frühester Jugend als wichtigste eingeprägt und<br />

welche in Millionen von Predigten verherrlicht wer-<br />

Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie

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