Klassenkämpfe in der BRD - Instituts für kritische Theorie (InkriT)

456 Besprechungen
Damus, Martin: Funktion der Bildenden Kunst im
Spätkapitalismus. Untersucht anhand der „avantgardistischen"
Kunst der sechziger Jahre. Fischer Taschenbuch Verlag,
Frankfurt/M. 1973 (192 S., br., 6,80 DM).
Martin Damus leistet in dem vorliegenden Buch das, was zumeist
nur postuliert wird: die ideologischen Funktionen von moderner
Kunst und ihre gesellschaftsstabilisierenden Wirkungen am Beispiel
der avantgardistischen, also gerade der sich progressiv gebärdenden
Kunst der sechziger Jahre im Detail aufzuzeigen und zu analysieren.
Im Mittelpunkt steht dabei das den Künstlern „fragwürdig gewordene
Verhältnis von ,Kunst' und ,Leben'" (12) und deren Intention,
diese für sie getrennt erscheinenden Bereiche zusammenzuführen,
schwerpunktmäßig festgemacht am Prinzip der Collage. Mit der Analyse
der verschiedenen Versuche, der Kunst solcherart gesamtgesellschaftliche
Aufgaben und Funktionen zu verschaffen, beschäftigen
sich die ersten drei Teile der Arbeit. Diese Detailinterpretationen
werden durch eine Klärung des gesellschaftlichen Traditionszusammenhangs
eingeleitet, auf den sich Künstler wie Kunstkritik — allerdings
formal und kunstimmanent — berufen: Futurismus, Dadaismus
und Surrealismus (Teil I); „drei ,Bewegungen', denen an der Destruktion
von Kunst, aber auch an deren Integration in den gesellschaftlichen
Lebenszusammenhang gelegen war" (11).
In der Collage, bestimmt durch „Einbeziehung solcher ,Realität'...,
die bislang als nichtkünstlerisch angesehen wurde" (103), in künstlerische
Handlungen oder Erzeugnisse, wird die „unbegriffene Wirklichkeit
... als unbegreifbare ausgegeben" (60), und mit dem daraus
abgeleiteten Absehen von der gesellschaftlichen Realität zur Stabilisierung
der bestehenden Verhältnisse beigetragen (61 u. ö.). So werden
die verschiedenen Versuche der Gegenwartskunst: der scheinbar
antibürgerliche Protest, die „Aufhebung" der Kunst, die Verweigerung
der Teilnahme an den Mechanismen der kapitalistischen Gesellschaft
und die damit begründete „reine" Handlung mühelos in
den Manipulationszusammenhang bürgerlicher Ideologie integriert.
Obwohl alle diese Versuche den formalen Rahmen bürgerlicher
Kunst sprengen, der Intention nach progressiv sein wollen, sprengen
sie doch nicht den Rahmen dessen, was in der bürgerlichen Gesellschaft
als Kunstbereich angesehen und hier goutiert und natürlich
profitabel vermarktet werden kann. Damus weist das an vielen Beispielen
nach: Happening, Pop art, Konzeptionelle Kunst, Straßenkunst
werden auf dem gesellschaftlichen Hintergrund dargestellt und
in ihrer herrschaftsstabilisierenden Funktion analysiert, auch oder
gerade da, wo sie politisch zu werden vorgeben wie bei Beuys
(123 f.) oder Vostell (92), oder wo sie mit revolutionärer Attitüde behaftet
sind.
Damus zeigt in Teil III das — notwendige — Scheitern solcher
künstlerischen Experimente, die den Anspruch erheben, „.wieder'
dem .Leben' näherzukommen" (104), die eine Veränderung der Publikumseinstellung
und Lernprozesse durch Aktivierung, Erweiterung