Klassenkämpfe in der BRD - Instituts für kritische Theorie (InkriT)

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aktuell bedenkenswerter, modellhafter Bedeutung nichts eingebüßt";
denn die „Verketzerung des ,Luxus' und einer Kunst, die sich nicht
unmittelbar in den Dienst einer Agitation für den Umsturz stellt, hat
gelernt, sich auf Karl Marx zu berufen" (38). Die in Anspruch genommene
Aktualität erscheint als eine aus geschichtshermeneutischer
Verlegenheit; zugleich spricht ein, gewiß legitimes, aber thematisch
nicht erörtertes Erkenntnisinteresse am Problem der Ästhetik
und an der Kunst selber sich aus. Kreutzers Arbeit verweist auf die
„asketisch-kunstfeindliche Tendenz des Babeufschen Gleichheitskommunismus"
(18), handelt jedoch, dem als Verpflichtung eigens notierten
geschichtlichen Genauigkeitsgrad (19) zuwider, abstrakt von
dem „Künstler Heine" (9). Ganz, auch in den Anmerkungen, fehlt,
was korrelativ zu Heines Kommunismuskritik und auch für diese
selber relevant ist: eine Reflexion auf Heines komplexe Beschäftigung
mit dem Problem, als das ihm, nach Hegel, das „Ende der
Kunst" sich darstellt.
Klaus Inderthal (Gießen)
Borries, Mechthild: Ein Angriff auf Heinrich Heine.
Kritische Betrachtungen zu Karl Kraus. Kohlhammer Verlag,
Stuttgart 1971 (108 S., Ln., 25,— DM).
Der Pazifist und Zeitkritiker Karl Kraus stand in der BRD immer
in hohem Ansehen. Seine Sprachtheorie wurde von den ehemaligen
„Herrenmenschen" als ein bequemes Alibi zu ihrer Vergangenheitsbewältigung
benutzt, indem sie ihnen erlaubte, sich als Opfer eines
heillosen Sprachverfalls darzustellen. Im Rückgriff auf Kraus wurde
die „Magie der nationalsozialistischen Sprache" verantwortlich gemacht
für Mord und Rassenhaß, und statt des „Braunbuchs" machte
das „Wörterbuch des Unmenschen" in der BRD Furore. In Anlehnung
an Kraus' an der Sprache ansetzender Kulturkritik bildete sich
eine besondere Kaste von Rechtfertigungspublizisten heraus, die mit
dem Analogieschluß: Sittenverfall = Sprachverfall hausieren gingen,
die Moralphilologen. — In den 60er Jahren schwand allerdings mit
der wissenschaftlichen Aufarbeitung des Faschismus auch die politische
Ausbeutbarkeit des Glaubens an eine „verräterische Sprache",
und heute mehren sich die Stimmen, die dem Sprachpriester Karl
Kraus die Gefolgschaft aufkündigen.
Die vorliegende Arbeit ist dadurch gekennzeichnet, daß sie den
Streit zwischen Anhängern und Gegnern von Kraus' Glauben an die
moralische Kraft der Sprache umgeht und statt dessen die Voraussetzungen
für sein Priestertum vor der Sprache untersucht. Im Gegensatz
zu den vielen „werkimmanenten" Kraus-Interpretationen
wird hier der Versuch unternommen, Wertungskriterien zu finden,
„indem wir den Schriftsteller (...) innerhalb des gesellschaftlichhistorischen
Zusammenhangs seiner Zeit sehen" (15). Aus dieser
Perspektive heraus sieht die Autorin ein „reaktionäres Denkmoment"