Klassenkämpfe in der BRD - Instituts für kritische Theorie (InkriT)
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426 Klaus Dieter Lenzen<br />
den müssen u ; so soll dieser .<strong>in</strong>nere' Prozeß, auf den man sich nicht<br />
e<strong>in</strong>ließ — was bei <strong>der</strong> Lektüre als Angst davor empfunden wurde, <strong>der</strong><br />
Gedankengang könne sich <strong>in</strong> die abgekanzelten „<strong>in</strong>neren Gefühle des<br />
Individuums" (221) verlieren — dennoch unter Kontrolle bleiben.<br />
Weil die „Rolle <strong>der</strong> Subjektivität im literarischen Arbeitsakt" (223)<br />
also immer nur auftaucht, um abgewehrt zu werden, macht die vorliegende<br />
historisch-materialistische Analyse <strong>der</strong> literarischen Produktion<br />
sich diese Probleme selbst unerreichbar; sie läßt bescheidenes<br />
Geheimnis, was die abgewehrten Intuitionstheorien zum totalen<br />
Geheimnis stilisieren wollen. Der Begriff <strong>der</strong> Phantasie, <strong>der</strong> den<br />
Produktivkräften des Literaten e<strong>in</strong>deutig hätte zugeordnet werden<br />
müssen (wie se<strong>in</strong>e „Denk- und Handlungsfähigkeit" auch, 218), bleibt,<br />
an jene subjektive Seite am nachdrücklichsten er<strong>in</strong>nernd, <strong>der</strong> historischen<br />
Reflexion dadurch unzugänglich als anthropologische Grundkategorie<br />
bestehen. Von <strong>der</strong> Phantasie heißt es zeitlos mit e<strong>in</strong>em<br />
Zitat, sie sei die „psychische Fähigkeit, aufbewahrte S<strong>in</strong>neserfahrungen<br />
zu neuartigen Vorstellungen zu komb<strong>in</strong>ieren" 12 . Insgeheim aber<br />
ist auch diese Bestimmung <strong>der</strong> Phantasie als e<strong>in</strong>er Potenz lediglich<br />
zum Daten-Puzzle historisch; <strong>in</strong>dem sie die technische Seite <strong>der</strong><br />
11 Warnecken, a.a.O., S. 221: „t'ür diesen Gegenstand („Wirklichkeitsmaterialien",<br />
„Stoff", K.D.L.) gilt wie <strong>für</strong> den direkten literarischen Arbeitsgegenstand,<br />
<strong>der</strong> sich ja auf ihn bezieht, daß <strong>der</strong> Arbeitende se<strong>in</strong>e Gesetzmäßigkeiten<br />
zu beachten hat, wenn die Produktion nicht scheitern soll."<br />
O<strong>der</strong> S. 220: „Gehandhabt und beurteilt werden darf sie (die Technik,<br />
K.D.L.) nur <strong>in</strong> Beziehung aufs Material."<br />
12 Warneken, a.a.O., S. 224, zitiert aus: Kulturpolitisches Wörterbuch,<br />
Berl<strong>in</strong>/DDR 1970, S. 442. — Ähnliche Def<strong>in</strong>itionen s<strong>in</strong>d etwa auch <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
psychoanalytischen Literatur zu f<strong>in</strong>den; vgl. L. S. Kubie, Neurotische<br />
Deformationen des schöpferischen Prozesses, Re<strong>in</strong>bek bei Hamburg 1966,<br />
S. 41: „Es sei die etwas verallgeme<strong>in</strong>ernde Feststellung erlaubt: Das Ermitteln<br />
neuer Tatsachen und neuer Beziehungen zwischen alten und neuen<br />
Daten ist nicht das Schöpferische schlechth<strong>in</strong>, stellt aber den wesentlichen<br />
Vorgang dar, ohne den es ke<strong>in</strong>e Kreativität geben kann." — Es wäre nachzuweisen,<br />
daß solche Def<strong>in</strong>itionen an e<strong>in</strong>em Kunstideal orientiert s<strong>in</strong>d,<br />
wonach e<strong>in</strong>e Art perspektivlosen Kollagierens als künstlerische Technik<br />
schlechth<strong>in</strong> gelten kann; Lepenies (a.a.O., S. 62) spricht <strong>in</strong> diesem Zusammenhang<br />
von <strong>der</strong> „Bastelei im posthistoire". — E<strong>in</strong>e marxistische Kritik an<br />
<strong>Theorie</strong>n, welche die Phantasietätigkeit zum willkürlichen Komb<strong>in</strong>ationsspiel<br />
degradieren (die Begriffe „Phantasie", „Kreativität", „E<strong>in</strong>bildungskraft"<br />
verwende ich hier unpräzise synonym), hat S. L. Rub<strong>in</strong>ste<strong>in</strong> gegeben<br />
(Grundlagen <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Psychologie, Berl<strong>in</strong> 1971, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
S. 414 ff.). Rub<strong>in</strong>ste<strong>in</strong> sagt z.B. S. 420 f.: „Die Anhänger <strong>der</strong> assoziativen<br />
beziehungsweise atomistischen Konzeption s<strong>in</strong>d geneigt, die Komb<strong>in</strong>ation<br />
als e<strong>in</strong>ziges Verfahren bei <strong>der</strong> Umbildenden Tätigkeit <strong>der</strong> E<strong>in</strong>bildungskraft<br />
anzusehen. Die Komb<strong>in</strong>ation selbst wird dabei reduziert auf das Entstehen<br />
neuer Verb<strong>in</strong>dungen und das Umgruppieren unverän<strong>der</strong>licher Elemente,<br />
die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erfahrung gegeben s<strong>in</strong>d. Zweifellos ist die Erfahrung <strong>der</strong> Ausgangspunkt<br />
<strong>der</strong> Umbildungen. Darum wird, je weiter, reicher und vielfältiger<br />
die Erfahrung des Menschen ist, unter sonst gleichen Bed<strong>in</strong>gungen<br />
auch se<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>bildungskraft um so reicher se<strong>in</strong>. Aber die Anerkennung<br />
dieser Abhängigkeit <strong>der</strong> E<strong>in</strong>bildungskraft darf ke<strong>in</strong>esfalls dazu führen,