Klassenkämpfe in der BRD - Instituts für kritische Theorie (InkriT)
Klassenkämpfe in der BRD - Instituts für kritische Theorie (InkriT)
Klassenkämpfe in der BRD - Instituts für kritische Theorie (InkriT)
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Literarische Produktion, Phantasie, ästhetische Erziehung 423<br />
historisch-materialistischen Analyse nicht geleistet wurden, die hier<br />
mit <strong>der</strong> „Entwicklung e<strong>in</strong>er richtigen Alternative" (s. o.) auch praktisch<br />
werden könnte, ist nicht bloßer Zufall. Es sche<strong>in</strong>t <strong>der</strong> Ideologiekritiker<br />
Furcht davor zu haben, daß er mit eigenen Vorschlägen zur<br />
Praxis .ästhetischer Erziehung' sich zum Opfer se<strong>in</strong>er ideologie<strong>kritische</strong>n<br />
Arbeit prädest<strong>in</strong>iert. Der von Hodek erbrachte Nachweis, daß<br />
Musikpädagogik <strong>in</strong> den letzten Jahrzehnten durchweg ideologische<br />
Funktionen dadurch erfüllte, daß sie „zur Lösung <strong>der</strong> gesellschaftlichen<br />
Wi<strong>der</strong>sprüche beschworen" (1018) wurde, stellt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tat <strong>in</strong><br />
Trage, ob überhaupt e<strong>in</strong>e <strong>kritische</strong> ,ästhetische Erziehung' denk- und<br />
realisierbar ist, die das Kunststück zu vollbr<strong>in</strong>gen hätte, über den<br />
Schatten zu spr<strong>in</strong>gen, <strong>der</strong> auf ihrer Geschichte lastet. Insofern ist die<br />
von Hodek betrauerte Forschungslücke verständlich, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die<br />
Abst<strong>in</strong>enz von Entwürfen pädagogisch vertretbarer Alternativen.<br />
Letztere drückt sich nun auf an<strong>der</strong>er Ebene dar<strong>in</strong> aus, daß um ästhetische<br />
Probleme zentrierte, materialistisch fundierte Arbeiten wie die<br />
Warnekens e<strong>in</strong>e <strong>Theorie</strong> des gesellschaftlichen Subjekts ausschließen,<br />
die <strong>der</strong> pädagogischen <strong>Theorie</strong> notwendig wäre; denn: „Bildung hat<br />
es mit dem Bewußtse<strong>in</strong> des Menschen zu tun; das H<strong>in</strong>starren auf<br />
se<strong>in</strong>e materielle Bed<strong>in</strong>gung alle<strong>in</strong> hebt sie nicht auf, obwohl die<br />
Erkenntnis dieser Bed<strong>in</strong>gungen unverzichtbar ist." 4 Durch den Ausschluß<br />
e<strong>in</strong>er <strong>Theorie</strong> des gesellschaftlichen Subjekts wird jener Prozeß<br />
<strong>der</strong> Vermittlung gefährdet, <strong>der</strong> sich nach Adorno <strong>der</strong> Musikpädagogik<br />
als zentrales Problem stellt. „Ihr Problem ist das <strong>der</strong> Vermittlung;<br />
sie darf we<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Anpassung an die vorgefundene<br />
Verfassung, das So-nun-e<strong>in</strong>mal-Se<strong>in</strong> <strong>der</strong> Schüler sich bescheiden,<br />
noch darf sie ihnen e<strong>in</strong>en Zweck vor Augen stellen, <strong>der</strong> starr, abstrakt<br />
diesem Stand <strong>in</strong>kommensurabel wäre. Die spezifische Schwierigkeit<br />
<strong>der</strong> Musikpädagogik heute sche<strong>in</strong>t es, daß diese Vermittlung<br />
nicht mehr geraten will; zum<strong>in</strong>dest, daß 'sie nicht mehr selbstverständlich<br />
ist." 5 Warneken nun demonstriert das Fehlen e<strong>in</strong>er <strong>Theorie</strong><br />
des gesellschaftlichen Subjekts als Nachlässigkeit gegenüber <strong>der</strong> „sub-<br />
Frankfurt/M. 1972 (<strong>der</strong> Band vere<strong>in</strong>igt Aufsätze verschiedener Autoren,<br />
gibt e<strong>in</strong>en guten Überblick über den Stand <strong>der</strong> gegenwärtigen Diskussion).<br />
— W. Roscher u. a., Ästhetische Erziehung, Improvisation, Musiktheater.<br />
Ergebnisse aus <strong>der</strong> Arbeit <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>sächsischen Lehrerfortbildung, Hannover-Berl<strong>in</strong>/West-Dortmund-Darmstadt<br />
1970. — E<strong>in</strong>e offizielle Konzeption<br />
„ästhetischer Erziehung" liegt <strong>in</strong>zwischen vor z. B. <strong>in</strong> den Hessischen<br />
Rahmenrichtl<strong>in</strong>ien <strong>für</strong> Kunst/Visuelle Kommunikation. — Wie e<strong>in</strong>e <strong>Theorie</strong><br />
<strong>der</strong> „ästhetischen Erziehung" im Anschluß an Fr. Schiller zu entwickeln<br />
wäre, regt Th. Metscher (Ästhetik als Abbildtheorie, <strong>in</strong>: Das Argument 77,<br />
H. 11/12, S. 948, Anmerk. 116) an: „Heute wäre Schiller von e<strong>in</strong>er Fragestellung<br />
her, wie sie W. F. Haug <strong>in</strong> den Untersuchungen zur Warenästhetik<br />
entwickelt, aufzuarbeiten (als Teil e<strong>in</strong>er Geschichte des Schicksals <strong>der</strong><br />
S<strong>in</strong>nlichkeit und ihrer <strong>Theorie</strong>) und <strong>für</strong> e<strong>in</strong>e ästhetische Erziehung <strong>in</strong> politischer<br />
Absicht nutzbar zu machen."<br />
4 H. J. Heydorn, Zu e<strong>in</strong>er Neufassung des Bildungsbegriffs, Frankfurt/M.<br />
1972, S. 122.<br />
5 Th. W. Adorno, Zur Musikpädagogik, <strong>in</strong>: Dissonanzen. Musik <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
verwalteten Welt, 3. Ausg., Gött<strong>in</strong>gen 1963, S. 107.