Klassenkämpfe in der BRD - Instituts für kritische Theorie (InkriT)
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368 Kurt Ste<strong>in</strong>haus<br />
an die zentrale Unternehmerorganisation „Gesamtmetall" delegiert,<br />
<strong>der</strong>en Hauptrepräsentant <strong>in</strong> Baden-Württemberg Hanns-Mart<strong>in</strong><br />
Schleyer (früher Mitglied <strong>der</strong> SS) ist. Der Verband verfolgte das<br />
Ziel, die Lohnause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung auf e<strong>in</strong>e Ebene zu verlagern, auf<br />
<strong>der</strong> die Hauptkraft <strong>der</strong> Arbeiterklasse nicht zur Geltung kommen<br />
kann, und auf <strong>der</strong> zusätzlich <strong>der</strong> komb<strong>in</strong>ierte Druck von Staat und<br />
Monopolen am wirksamsten ist. Deshalb wurden zentrale anstelle<br />
von regionalen Verhandlungen angestrebt, deshalb ließ man die<br />
vertraglich vorgestellten Schlichtungsverfahren platzen, um so zur<br />
sog. „politischen Schlichtung" unter direkter Beteiligung des Staatsapparates<br />
zu kommen.<br />
Die Existenz e<strong>in</strong>er sozialdemokratisch geführten Bundesregierung<br />
war hierbei <strong>für</strong> das Großkapital eher vorteilhaft als nachteilig. Dabei<br />
spielten nicht so unverhüllte Vertreter von Kapital-Interessen wie<br />
<strong>der</strong> damalige Wirtschaftsm<strong>in</strong>ister Schiller (heute CDU), <strong>der</strong> aus se<strong>in</strong>er<br />
Sympathie <strong>für</strong> Reallohnsenkungen noch nie e<strong>in</strong> Hehl gemacht<br />
hatte, die Hauptrolle. Viel schwerer wog, daß auch <strong>der</strong> sozialdemokratische<br />
Bundeskanzler Brandt das Ansehen se<strong>in</strong>er Partei wie se<strong>in</strong>er<br />
Person ausnutzte, um <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die Gewerkschaftsführungen<br />
auf möglichst niedrige Abschlüsse festzulegen. Daß dieser Druck auf<br />
Arbeiterklasse und Gewerkschaften von seiten <strong>der</strong> sozialdemokratischen<br />
Führung viel wirksamer war, als es entsprechende Appelle<br />
e<strong>in</strong>er CDU-Regierung gewesen wären, liegt auf <strong>der</strong> Hand. All dies<br />
komplizierte den Kampf <strong>der</strong> Metallarbeiter 1971 beträchtlich.<br />
Die harte L<strong>in</strong>ie <strong>der</strong> Unternehmer wurde gleich zu Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Verhandlungen<br />
deutlich. Zunächst weigerten sie sich überhaupt, e<strong>in</strong><br />
Angebot zu unterbreiten; schließlich boten sie Lohn- und Gehaltserhöhungen<br />
von 4,5 °/o an. Aufgrund dieser Obstruktionspolitik<br />
scheiterten die Tarifverhandlungen schon am 18. 10. Der Beg<strong>in</strong>n des<br />
Schlichtungsverfahrens 10 Tage später wurde von Demonstrationen<br />
und Warnstreiks <strong>der</strong> Metallarbeiter begleitet, die hiermit ihre Empörung<br />
über die Haltung <strong>der</strong> Unternehmer sowie ihre Kampfbereitschaft<br />
zum Ausdruck brachten. Der am 2. 11. unter dem Vorsitz des<br />
sozialdemokratischen Landtagsvizepräsidenten Veit zustande gekommene<br />
E<strong>in</strong>igungsvorschlag blieb mit 7,5% deutlich unter den gewerkschaftlichen<br />
For<strong>der</strong>ungen. Da aber e<strong>in</strong>e Laufzeit von nur sieben Monaten<br />
vorgesehen war, stimmte die IG Metall zu. Die Unternehmer<br />
lehnten den Schiedsspruch freilich ab, und damit war die Schlichtung<br />
gescheitert. Am 4. 11. scheiterten die Tarifverhandlungen dann auch<br />
<strong>in</strong> fünf weiteren Bezirken. Hiermit war <strong>der</strong> Weg <strong>für</strong> e<strong>in</strong>e Urabstimmung<br />
frei, die am 12. 11. stattfand und <strong>der</strong> Warnstreiks vorausg<strong>in</strong>gen,<br />
an denen sich täglich über 100 000 Metallarbeiter beteiligten.<br />
Die Urabstimmung erbrachte mit 89,6 % bzw. 92,6 % Ja-Stimmen<br />
(<strong>der</strong> Abstimmungsberechtigten bzw. <strong>der</strong> Abstimmenden) e<strong>in</strong> klares<br />
Votum <strong>für</strong> den Kampf, das um so bemerkenswerter war, als erstmalig<br />
auch die Angestellten mit abgestimmt hatten.<br />
„Gesamtmetall" blieb jedoch trotz dieses e<strong>in</strong>deutigen Abstimmungsergebnisses<br />
auf Konfrontationskurs. Schon am 17. 11. wurde<br />
<strong>für</strong> Baden-Württemberg die Aussperrung angekündigt. Und am