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Klassenkämpfe in der BRD - Instituts für kritische Theorie (InkriT)

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374 Kurt Ste<strong>in</strong>haus<br />

Die zweite exemplarische Kampfaktion <strong>der</strong> westdeutschen Arbeiterklasse<br />

hatte e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Stoßrichtung als die Aktionen zur Unterstützung<br />

<strong>der</strong> Ratifizierung <strong>der</strong> Verträge. Sie war auch weniger<br />

umfassend. Gleichwohl war auch ihre Bedeutung größer, als es die<br />

Zahlen <strong>der</strong> Statistik (e<strong>in</strong> bestreikter Betrieb, 1200 Streikende, 3600<br />

ausgefallene Arbeitstage) erkennen lassen. Es handelt sich um den<br />

Kampf <strong>der</strong> Arbeiter e<strong>in</strong>es Wuppertaler Chemiefaser-Werkes, die<br />

zusammen mit holländischen Arbeitern den mult<strong>in</strong>ationalen Konzern<br />

AKZO zwangen, e<strong>in</strong>en umfassenden — auf ganz Westeuropa<br />

sich erstreckenden — Stillegungsplan aufzugeben 13 . — Der mult<strong>in</strong>ationale<br />

Chemie-Konzern AKZO hat se<strong>in</strong>en Hauptsitz <strong>in</strong> Holland,<br />

er verfügt über Produktionsstätten <strong>in</strong> mehr als 30 Län<strong>der</strong>n. 1971<br />

beschäftigte er 104 500 Arbeiter und Angestellte. Fast die Hälfte se<strong>in</strong>es<br />

Produktionsprogramms ist auf Chemiefasern ausgerichtet. In<br />

diesem Bereich, <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> ENKA-Glanzstoff-Gruppe zusammengefaßt<br />

ist, hält <strong>der</strong> AKZO-Konzern den zweiten Platz <strong>in</strong> <strong>der</strong> kapitalistischen<br />

Welt und den ersten Platz <strong>in</strong> Westeuropa. Fast e<strong>in</strong> Viertel<br />

<strong>der</strong> Chemiefaserproduktion <strong>der</strong> EWG wird über die ENKA-<br />

Glanzstoff-Gruppe vom AKZO-Konzern kontrolliert. Am 6. April<br />

1972 wurde e<strong>in</strong> umfassen<strong>der</strong> Stillegungsplan <strong>der</strong> Konzernleitung<br />

bekannt. Vier Betriebe mit <strong>in</strong>sgesamt 5500 Beschäftigen sollten<br />

geschlossen werden — darunter neben e<strong>in</strong>em Schweizer und e<strong>in</strong>em<br />

belgischen Betrieb je e<strong>in</strong> Zweigwerk <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>BRD</strong> (Wuppertal-Barmen)<br />

und <strong>in</strong> Holland (Breda). Die Belegschaft des betroffenen<br />

Wuppertaler Betriebes (2500 Beschäftigte) reagierte noch am gleichen<br />

Tag mit e<strong>in</strong>er Protestdemonstration. Sie bekräftigte ihren<br />

Willen zum Wi<strong>der</strong>stand anläßlich e<strong>in</strong>er Aufsichtsratssitzung am<br />

18. 4. mit e<strong>in</strong>er erneuten Demonstration und e<strong>in</strong>er zusätzlichen<br />

Arbeitsnie<strong>der</strong>legung, an <strong>der</strong> sich 1200 Kollegen beteiligten. Angesichts<br />

dieser Aktionen än<strong>der</strong>te die Konzernleitung ihre Taktik: e<strong>in</strong>e<br />

Sachverständigenkommission sollte e<strong>in</strong> Gutachten erstellen. Das<br />

Gutachten, das im August vorlag, war jedoch alles an<strong>der</strong>e als neutral,<br />

denn es billigte den Stillegungsplan. Als Reaktion hierauf besetzten<br />

am 18. 9. <strong>in</strong> Breda 850 holländische Arbeiter ihr Werk, und<br />

diese Aktion fand <strong>in</strong> Wuppertal sofort den richtigen Wi<strong>der</strong>hall: am<br />

19. 4. verriegelten auch dort die Arbeiter die Werkstore und legten<br />

die Arbeit nie<strong>der</strong>. Noch zwei weitere Tage blieben die beiden Werke<br />

von den Belegschaften besetzt. Dann gab die Konzernleitung nach.<br />

Am 21. 9. wurden die Stillegungspläne angesichts <strong>der</strong> „heftigen<br />

Reaktionen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitnehmerschaft" offiziell zurückgenommen.<br />

Die holländischen und westdeutschen Arbeiter, die so e<strong>in</strong>en vollen<br />

Sieg errungen hatten, nahmen daraufh<strong>in</strong> am 22. 9. 1972 die Arbeit<br />

wie<strong>der</strong> auf. — Nicht unwesentlich zum Sieg <strong>der</strong> ENKA-Arbeiter hatte<br />

die Hilfe beigetragen, die ihnen von ihren Gewerkschaften zuteil<br />

wurde. Der im September tagende Gewerkschaftstag <strong>der</strong> IG Chemie<br />

13 Zu den Aktionen bei AKZO-ENKA vgl. Gewerkschafts-Spiegel,<br />

Nr. 23—24/1972, S. 34 ff.; Nachrichten, Nr. 10/1972, S. 12 f.; Unsere Zeit:<br />

21. 4., 5. 5., 4. 8., 8. 9., 29. 9., 13. 10. 1972.

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