Klassenkämpfe in der BRD - Instituts für kritische Theorie (InkriT)

Literarische Produktion, Phantasie, ästhetische Erziehung 429
zur bildhaft antizipierten Veränderung wurde die stimulierbare
Befähigung zur innovativen Bestätigung des Vorhandenen (s. u.), den
Künstler schließlich ersetzte tendenziell der Werbefachmann. 20 Die
Konstruktion einer in den Menschen mechanisch vollzieh- und kontrollierbaren
Kreativität mußte allerdings inhaltslos bleiben. Solche
Inhalte, in denen die progredienten Wünsche und Sehnsüchte der
Menschen bildhaft noch gespeichert sind, darf die pädagogisch überwachte
Phantasie nicht mehr mitbringen, soll sie äußerlich vorgegebene,
eingestandenermaßen aus dem Profitprinzip abgeleitete Zielvorstellungen
erreichen können, Zielvorstellungen etwa wie die folgenden:
„The function of advertising is to accelerate the movement
of goods at a profit or, in a broader sense, to create an atmosphere of
acceptance for a company and its products so as to increase sales at a
profit. The creative strategy, then, sets the basic theme around which
the advertising and marketing program is developed to perform this
function." 21 Wie die auch in der Phantasietätigkeit spürbare „progressive
Tendenz des Treibenden in den Menschen, ihres Verlangens
nach Befriedigung, Lust, Glück" 22 dem kapitalistischen Interesse
gefügig gemacht wird, ist vielleicht am deutlichsten in Kreativitätstrainingsprogrammen
nachlesbar. Hier dringt das Prinzip des Profits
durch die geregelte Sprache bis in die Assoziationsketten von Individuen
gezielt ein. Die folgenden Beispiele sind offen auf Wareninnovation
ausgerichtete: „Schüler stellen zunächst zwei oder mehrere
wichtige Merkmale oder Dimensionen (z. B. Farbe, Gestalt) eines
Problems fest und registrieren für jedes besondere Eigenschaftswerte
(z. B. rot, blau, grün; quadratisch, rund, dreieckig). Sie überprüfen
dann alle möglichen Kombinationen, indem sie einen Wert für jedes
Merkmal benutzen. Fordert man Schüler z. B. auf, eine neue Art von
Springtoastern zu entwerfen, ergäben alle Kombinationen von 15
Formen, 20 verschiedenen Farben und Farbmustern und 5 Größen
sofort 1500 mögliche Produkte." Oder: „Das ,Spielen mit' oder freie
Assoziieren von Wortbedeutungen kann zu weiteren neuen Ideen
führen. Beispielsweise kann das Spekulieren über die Bedeutung des
Wortes ,öffnen' (schneiden, aufbrechen, entfalten, usw.) neue Ent-
Praktische Erfahrungen prominenter Unternehmensführer, Düsseldorf/
Wien 1970, S. 19: Dieser neue Philosophiebegriff „will eine Art Grundgesetz
des Betriebes ausdrücken, er beschreibt Firmenleitsätze, beinhaltet Zielfestlegung
und die Prinzipien der Ausrichtung aller Kräfte auf die Erreichung
dieses Ziels".
20 Vgl. H. F. J. Kropff, Angewandte Psychologie und Soziologie in Werbung
und Vertrieb, Stuttgart 1960, S. 409: „Phantasie ist in der Tat eine der
Anlagen, die der Künstler und mit ihm der Werber haben muß, um gestaltend
und planend erfolgreich zu wirken. Aus den Mitmenschen heraus
sprechen, in ihrem Dasein leben, ihre Nöte und Sehnsüchte kennen und
klären, das sind die Grundaufgaben des Dichters — und des Werbers."
21 S. Watson Dunn, Ph. D., International Handbook of Advertising,
New York/Toronto/London 1964, S. 180.
22 W. F. Haug, Kritik der Warenästhetik, Frankfurt/M. «1973, S. 55.