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Klassenkämpfe in der BRD - Instituts für kritische Theorie (InkriT)

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362 Kurt Ste<strong>in</strong>haus<br />

litik des Reallohnabbaus zu nutzen. Diese stieß jedoch auf den Wi<strong>der</strong>stand<br />

<strong>der</strong> Arbeiterklasse, <strong>der</strong>en Selbstbewußtse<strong>in</strong> nach den erfolgreichen<br />

Streiks und Tarifrunden seit 1969 beträchtlich gewachsen<br />

war.<br />

Neben verschiedenen kle<strong>in</strong>eren Aktionen gab es 1971 vor allem<br />

zwei größere gewerkschaftliche Tarifbewegungen, die <strong>in</strong> jeweils<br />

mehrwöchige Streiks e<strong>in</strong>mündeten. Diese Streiks <strong>in</strong> <strong>der</strong> chemischen<br />

Industrie Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalens und Hessens (Juni/Juli) sowie <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

. Metall<strong>in</strong>dustrie Baden-Württembergs (November/Dezember) bildeten<br />

die Höhepunkte <strong>der</strong> <strong>Klassenkämpfe</strong> des Jahres 1971.<br />

1. Die Streiks <strong>in</strong> <strong>der</strong> chemischen Industrie im Sommer 1971<br />

Die chemische Industrie <strong>der</strong> <strong>BRD</strong> ist e<strong>in</strong>e ausgesprochene Wachstumsbranche<br />

8 . Stieg zwischen 1951 und 1970 die Nettoproduktion <strong>der</strong><br />

gesamten Industrie um 269 %>, so war <strong>der</strong> Zuwachs bei <strong>der</strong> chemischen<br />

Industrie mit 550 °/o fast doppelt so hoch. Ähnlich günstig ist<br />

die Situation <strong>in</strong> bezug auf die Investitionen, den Kapitalexport und<br />

die Arbeitsproduktivität. Außerordentlich hoch ist bei dieser Branche<br />

ferner <strong>der</strong> Konzentrationsgrad: die drei Nachfolgegesellschaften<br />

des IG Farben-Konzerns (Bayer, Hoechst und BASF) kontrollieren<br />

über die Hälfte <strong>der</strong> westdeutschen Chemie-Produktion. In kaum<br />

e<strong>in</strong>em Industriezweig ist die Profitsituation so günstig wie <strong>in</strong> <strong>der</strong> —<br />

ebenso schnell expandierenden wie hochgradig konzentrierten —<br />

chemischen Industrie. Von 1960 bis 1969 erzielten Bayer, Hoechst<br />

und BASF Nettoprofite <strong>in</strong> Höhe von 22,9 Mrd. DM; 1969 betrug <strong>der</strong><br />

Nettoprofit <strong>der</strong> IG Farben-Gruppe fast 4,1 Mrd. DM.<br />

Die Verfügung über <strong>der</strong>art hohe Profite erweist sich nicht nur als<br />

Mittel <strong>der</strong> ökonomischen Expansion, son<strong>der</strong>n schafft auch zusätzliche<br />

Möglichkeiten <strong>der</strong> Bee<strong>in</strong>flussung <strong>der</strong> Belegschaften. In ke<strong>in</strong>er Branche<br />

ist so auch das Instrumentarium <strong>der</strong> materiellen Korrumpierung<br />

so ausgeprägt wie <strong>in</strong> <strong>der</strong> chemischen Industrie. Insbeson<strong>der</strong>e bei <strong>der</strong><br />

IG Farben-Gruppe existiert e<strong>in</strong> ausgefeiltes System <strong>der</strong> künstlichen<br />

B<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Belegschaften an den Betrieb: betriebliche Pensionskassen,<br />

Werkswohnungen, betriebliche Jahresprämien, die von Gehalt,<br />

Betriebszugehörigkeit und Dividendenhöhe abhängig s<strong>in</strong>d, Belegschaftsaktien—<br />

all dies s<strong>in</strong>d Mittel, die Arbeiter und Angestellten<br />

gezielt an die Konzerne zu b<strong>in</strong>den. Die Institution betrieblicher<br />

anstelle gewerkschaftlicher Vertrauensleute ist seitens <strong>der</strong> Konzernleitungen<br />

bewußt darauf angelegt, zwischen Belegschaft und Gewerkschaft<br />

e<strong>in</strong>en Keil zu treiben.<br />

8 Zu den Chemie-Streiks 1971 vgl. J. H. v. Heiseler, M. v. Heiseler-<br />

Knipp<strong>in</strong>g, A. Leisewitz, Über die Streiks <strong>in</strong> <strong>der</strong> chemischen Industrie im<br />

Juni/Juli 1971 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Zentren <strong>der</strong> Tarifbewegung <strong>in</strong> Hessen und<br />

Rhe<strong>in</strong>land, 2. Aufl., Frankfurt o. J. (Informationsbericht Nr. 7 d. IMSF);<br />

Gewerkschafts-Spiegel: Nr. 6/1971, S. 35; Nr. 15/1971, S. 38 ff.; Nachrichten:<br />

Nr. 2/1971, S. 7; Nr. 3/1971, S. 5; Nr. 4/1971, S. 6; Nr. 5/1971, S. 7;<br />

Nr. 6/1971, S. 3; Nr. 7/1971, S. 2 f.; Nr. 8/1971, S. 10.

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