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Klassenkämpfe in der BRD - Instituts für kritische Theorie (InkriT)

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512 Besprechungen<br />

Becker, Dierk-Eckhard, u. Elmar Wiesendahl: Ohne Programm<br />

nach Bonn o<strong>der</strong> Die Union als Kanzlerwahl-<br />

Vere<strong>in</strong>. Rowohlt Verlag, Re<strong>in</strong>bek bei Hamburg 1972 (180 S., br.,<br />

3,80 DM).<br />

Auch nach dem Waterloo <strong>der</strong> beiden letzten Bundestagswahlen<br />

.werden CDU-Heerführer immer noch von Alpträumen geplagt, wenn<br />

sie an den Strom neuer Mitglie<strong>der</strong> denken, <strong>der</strong> sich <strong>in</strong> ihre Partei<br />

ergießt und <strong>für</strong> sie e<strong>in</strong> nur schwer kalkulierbares politisches Risiko<br />

darstellt. Ernst Benda gab deshalb zu bedenken: „Bevor sich die<br />

CDU um neue Mitglie<strong>der</strong> bemüht, muß sie sich darüber klarwerden,<br />

wozu sie eigentlich Mitglie<strong>der</strong> haben will" (123).<br />

Becker und Wiesendahl, zwei ehemalige führende Sprecher <strong>der</strong><br />

Jungen Union Hamburg, die 1971 aus Protest ihre Partei verließen,<br />

mußten persönlich erfahren, welchen Typus von, Mitglie<strong>der</strong>n die<br />

CDU um ke<strong>in</strong>en Preis haben will: Vornehmlich <strong>für</strong> Neuzugänge, die<br />

aus <strong>der</strong> ihnen zugedachten Akklamationsrolle schlüpfen und sich<br />

anschicken, die überall spürbare Vormachtstellung <strong>der</strong> verschiedenen<br />

Kapitalgruppen (Wirtschaftsrat, Mittelstandsvere<strong>in</strong>igung etc.) <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Union zu brechen, wird das Gebot <strong>der</strong> parteichristlichen Nächstenliebe<br />

sehr rasch dispensiert.<br />

Beckers detaillierter Report über die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Jungen Union Hamburg zwischen 1967 und 1970 mutet dabei strekkenweise<br />

wie e<strong>in</strong> Polit-Krimi an. Der <strong>für</strong> christdemokratische Verhältnisse<br />

ungeheure Vorgang, daß Teile <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> sorgsam kultivierten<br />

Hauptbeschäftigung <strong>der</strong> Jungen Union — <strong>der</strong> Organisierung<br />

rauschen<strong>der</strong> Feste und gefälliger Reisen — den Rücken zukehrten<br />

und sich <strong>in</strong> sozialreformerischer Absicht um die E<strong>in</strong>nahme wichtiger<br />

Schlüsselstellungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Partei bemühten, löste <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zentrale <strong>der</strong><br />

Jungen Union e<strong>in</strong> hektisches Treiben aus. Mit Mitteln des politischen<br />

Ganoventums (Fälschung von Mitglie<strong>der</strong>listen, Manipulationen bei<br />

Mitglie<strong>der</strong>versammlungen etc.) versuchte <strong>der</strong> Echternach-Clan se<strong>in</strong>e<br />

Machtposition zu stabilisieren, um e<strong>in</strong>e Kurskorrektur <strong>der</strong> reaktionären<br />

Hamburger CDU verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n zu können (43).<br />

Becker führt den Nachweis, daß die totale Verfilzung <strong>der</strong> Partei<br />

mit wirtschaftlichen Machtgruppen nicht e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e formale E<strong>in</strong>haltung<br />

<strong>der</strong> <strong>in</strong>nerparteilichen Demokratie erlaubt. So wurde bei den<br />

Bundestagswahlen wie aus heiterem Himmel vom Hamburger Landesvorstand<br />

e<strong>in</strong> Kandidat lanciert, <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Partei weitgehend unbekannt<br />

war und auch ke<strong>in</strong>erlei bemerkenswerte sachpolitische Qualifikationen<br />

aufwies, da<strong>für</strong> aber mit dem Großkapital eng liiert war<br />

und bedeutende Spenden <strong>der</strong> Industrie <strong>in</strong> Aussicht stellte (19).<br />

Wiesendahl skizziert die markanten historischen Stationen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Entwicklung <strong>der</strong> CDU auf Bundesebene, die sich — so se<strong>in</strong> Resümee<br />

— immer stärker von ihren tendenziell antikapitalistische Züge tragenden<br />

Gründungsaufrufen entfernte und zur politischen Hauptagentur<br />

<strong>der</strong> westdeutschen Bourgeoisie avancierte. E<strong>in</strong> deutliches<br />

Interpretationsdefizit offenbart Wiesendahl jedoch bei <strong>der</strong> Bestimmung<br />

<strong>der</strong> Ursachen <strong>für</strong> den politischen Nie<strong>der</strong>gang <strong>der</strong> CDU seit

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