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Klassenkämpfe in der BRD - Instituts für kritische Theorie (InkriT)

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480 Besprechungen<br />

In se<strong>in</strong>em Buch geht es um drei Gruppen — vorwiegend studentische<br />

Mitglie<strong>der</strong> — mit verschiedenen Arbeitsschwerpunkten: zwei<br />

Elterngruppen und e<strong>in</strong>e Gruppe, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Obdachlosensiedlung<br />

arbeitet. Alle drei wandten sich zum Zweck e<strong>in</strong>er möglichen Zusammenarbeit<br />

mit psychoanalytisch Geschulten an die Psychosomatische<br />

Kl<strong>in</strong>ik Gießen. E<strong>in</strong>e vierte Gruppe — das SPK Heidelberg — wird<br />

als „Beispiel e<strong>in</strong>es Scheiterns" (227) im letzten Abschnitt des Buches<br />

allzu oberflächlich skizziert und soll deshalb im Rahmen <strong>der</strong> folgenden<br />

Überlegungen nicht behandelt werden. Während es den Elterngruppen<br />

<strong>in</strong>sgesamt vorwiegend um die Beseitigung von Mißständen<br />

und die Aufklärung von Problemen geht, von denen sie selbst und<br />

aktuell betroffen s<strong>in</strong>d, gilt die Aktivität <strong>der</strong> Gruppe, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Obdachlosenasyl arbeitet, <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie <strong>der</strong> Bekämpfung des sozialen<br />

Elends an<strong>der</strong>er und <strong>der</strong> politischen Mobilisierung <strong>der</strong> Betroffenen.<br />

Hier wird also e<strong>in</strong> längerfristiges Ziel gesteckt, das — so Richter<br />

— von „katholisch-reformistisch" (233) bis „marxistisch" (233)<br />

reicht.<br />

Das soziale Gebilde „Gruppe", nach Richters eigenen Worten<br />

„Hoffnung auf e<strong>in</strong>en neuen Weg, sich selbst und an<strong>der</strong>e zu befreien",<br />

füllt se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach heute vielfältige Funktionen aus: sie ersche<strong>in</strong>e<br />

als vermittelnde Instanz zwischen E<strong>in</strong>zelbeziehungen (Familie,<br />

Ehe) und <strong>der</strong> Gesellschaft; als Alternative zur Kle<strong>in</strong>familie; als<br />

Alternative zur tradierten K<strong>in</strong><strong>der</strong>erziehung und schließlich als Rahmen<br />

<strong>für</strong> politische Arbeit. Richter sieht <strong>in</strong> ihr, unter <strong>der</strong> Voraussetzung,<br />

daß sie sich als Modell vermehrt durchsetzen kann, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tat<br />

e<strong>in</strong>e Möglichkeit <strong>der</strong> kollektiven, d. h. <strong>der</strong> gesellschaftlichen Verän<strong>der</strong>ung.<br />

Se<strong>in</strong>e Analyse <strong>der</strong> heutigen gesellschaftlichen Situation —<br />

zu <strong>der</strong> Richter selbstkritisch schreibt: „Alle hier gelieferten Interpretationen<br />

s<strong>in</strong>d gebunden an die psychoanalytische Sichtweite des Verfassers.<br />

Viele hier berührte Phänomene bieten sich natürlich <strong>in</strong> gleichem<br />

Maße (?!) <strong>für</strong> e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong> soziologische o<strong>der</strong> politische Beurteilung<br />

an" (64) — zeichnet den kritisch theoretischen Ansatz <strong>der</strong> Frankfurter<br />

Schule (wenn auch <strong>in</strong> oberflächlicher Weise) nach. Sie mündet konsequenterweise<br />

<strong>in</strong> dem Versuch, gesellschaftliche Strukturen durch<br />

Umwandlungen im „Bereich <strong>der</strong> Kommunikation" (47) zu verän<strong>der</strong>n.<br />

Hauptmerkmal und zugleich Ursache <strong>der</strong> „Krise" (11), <strong>in</strong> <strong>der</strong> sich<br />

„das" (11) Individuum bef<strong>in</strong>de und <strong>in</strong> <strong>der</strong> somit <strong>für</strong> Richter alle Klassenunterschiede<br />

sich verwischen, sei gestörte Interaktion, seien „Brüchigkelt<br />

und S<strong>in</strong>nentleerung vieler Strukturen menschlichen Zusammenlebens"<br />

(25). Der Grund <strong>für</strong> diese Störung, den Richter alle<strong>in</strong> auf<br />

ideologischer Ebene ausmacht, liege dar<strong>in</strong>, daß „das" Individuum<br />

se<strong>in</strong>e zentrale Stellung verloren habe, daß es aufgehe <strong>in</strong> <strong>der</strong> Masse.<br />

„Der Traum von <strong>der</strong> zentralen Bedeutung des Individuums ist ausgeträumt"<br />

(23). Bei <strong>der</strong> Frage, wer diesen Traum denn hegte,<br />

kommt man sehr schnell zu <strong>der</strong> Feststellung, daß Richter zwar von<br />

<strong>der</strong> Krise aller Mitglie<strong>der</strong> unserer Gesellschaft spricht, tatsächlich<br />

jedoch nur das bürgerliche Individuum im Auge hat; welcher Arbeiter<br />

hat denn schon den „tradierten <strong>in</strong>dividualistischen Größenwahn"<br />

(19) verteidigt und muß heute den „Untergang se<strong>in</strong>er Selbstvorstel-

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