Klassenkämpfe in der BRD - Instituts für kritische Theorie (InkriT)
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380 Kurt Ste<strong>in</strong>haus<br />
Streiks lag <strong>in</strong> Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen, wo etwa 100 000 Arbeiter und<br />
Angestellte an den Kämpfen beteiligt waren. Die Zahl <strong>der</strong> Streikenden<br />
<strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Bundeslän<strong>der</strong>n dürfte <strong>in</strong>sgesamt noch e<strong>in</strong>mal die<br />
gleiche Größenordnung erreicht haben. Daß das volle Ausmaß <strong>der</strong><br />
Bewegung nur schwer erkennbar ist, liegt vor allem daran, daß<br />
erstens die meisten Streiks nur sehr kurz waren und daß zweitens <strong>in</strong><br />
Hun<strong>der</strong>ten von Fällen Teuerungszulagen nicht nur durch längere<br />
Streiks, son<strong>der</strong>n auch durch kürzere Warn- und Abteilungsstreiks,<br />
vielfach auch bereits durch Androhung von Kampfmaßnahmen<br />
durchgesetzt wurden. Oft gaben Unternehmer schon unter dem<br />
Druck <strong>der</strong> Bewegung <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Betrieben nach und zahlten Zulagen,<br />
um e<strong>in</strong>em Übergreifen <strong>der</strong> Streiks auf die eigenen Betriebe<br />
vorzubeugen.<br />
Im folgenden stichwortartig e<strong>in</strong>iges zum Verlauf <strong>der</strong> sieben wichtigsten<br />
Streikkämpfe des Sommers 1973: Der erste Vorbote <strong>der</strong> sommerlichen<br />
Streikwelle war <strong>der</strong> Streik bei den Hella-Werken <strong>in</strong> Lippstadt<br />
vom 16.—19. 7. Dieses Unternehmen ist neben Bosch <strong>der</strong> wichtigste<br />
Produzent von elektrischem Zubehör <strong>für</strong> die Kraftfahrzeug<strong>in</strong>dustrie.<br />
Die beiden bestreikten Hella-Betriebe <strong>in</strong> Lippstadt haben<br />
je 4000 Beschäftigte, zur Hälfte Auslän<strong>der</strong>. Der unmittelbare Streikanlaß<br />
war die Tatsache, daß die deutschen Werkzeugmacher als e<strong>in</strong>zige<br />
e<strong>in</strong>e Teuerungszulage von 15 Pfennig je Stunde erhalten sollten.<br />
Nach Bekanntwerden dieser Lohnregulierung traten die ohneh<strong>in</strong><br />
lohnmäßig diskrim<strong>in</strong>ierten ausländischen Arbeiter <strong>in</strong> den Streik.<br />
Auch <strong>der</strong> Großteil <strong>der</strong> deutschen Kollegen blieb schließlich zu Hause.<br />
Während des Streiks kam es zu brutalen Polizeie<strong>in</strong>sätzen mit Knüppeln,<br />
Hunden und gezogenen Pistolen. Die Werksleitung drohte mit<br />
Entlassungen. Die offen gewählte Streikleitung mit ihrem aktiven<br />
spanischen Kern stellte jedoch e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche und diszipl<strong>in</strong>ierte<br />
Kampfführimg sicher. Die For<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Streikenden nach 50 Pfennig<br />
mehr pro Stunde wurde weitgehend durchgesetzt. Die Werksleitung<br />
mußte Erhöhungen <strong>der</strong> Stundenlöhne um 30—40 Pfennig zugestehen<br />
und auf Repressalien verzichten. — Auch <strong>der</strong> nächste große<br />
Streik des Sommers 1973 fand <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zuliefererbetrieb <strong>der</strong> Automobil<strong>in</strong>dustrie<br />
statt. Vom 15.—18. 8. 1973 wurde bei <strong>der</strong> Firma Pierburg<br />
<strong>in</strong> Neuss, dem wichtigsten Hersteller von Vergasern und Kraftstoffpumpen<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>BRD</strong>, die Arbeit nie<strong>der</strong>gelegt. Dieser Betrieb hat<br />
2400 Beschäftigte — davon 80 % Auslän<strong>der</strong>, meist Frauen. Auch dieser<br />
Streik entwickelte sich als Aktion <strong>der</strong> ausländischen Arbeiter<br />
und Arbeiter<strong>in</strong>nen aufgrund ausgeprägter Lohndiskrim<strong>in</strong>ierung und<br />
ständig gesteigerter Arbeits<strong>in</strong>tensität. Die For<strong>der</strong>ungen beliefen sich<br />
auf 1 DM mehr Stundenlohn, Wegfall <strong>der</strong> Leichtlohngruppe II und<br />
Herabsetzung <strong>der</strong> Schichtleistung.<br />
Bereits am ersten Streiktag kam es zu e<strong>in</strong>em brutalen Polizeie<strong>in</strong>satz,<br />
<strong>der</strong> sich auch gegen Frauen richtete und Festnahmen e<strong>in</strong>schloß.<br />
Die Streikenden ließen sich jedoch we<strong>der</strong> e<strong>in</strong>schüchtern noch<br />
provozieren. Am vierten Streiktag erfolgte schließlich <strong>der</strong> Durchbruch<br />
zur Solidarisierung <strong>der</strong> deutschen Arbeiter. Die deutschen<br />
Werkzeugschlosser stellten e<strong>in</strong> Ultimatum nach Erfüllung <strong>der</strong> Forde-