Klassenkämpfe in der BRD - Instituts für kritische Theorie (InkriT)

Soziale Bewegung und. Politik 497
Es hat sich eingebürgert, solche Darstellungen mit Psychogrammen
zu untermauern, da sie aus der Exegese der Konferenz-Papiere
schwerlich begründbar sind. Roosevelt erscheint als ahnungsloser
und kompromißbereiter Repräsentant einer konzeptionslosen amerikanischen
Politik, der trotz der Interventionen Churchills, die
einem seherischen antikommunistischen Realismus, folgten, gegen
den eiskalten, von der Dynamik der weltrevolutionären Ziele getriebenen
Rechner Stalin wenig auszurichten hatte. Weidenfeld hat
sich an dieses Schema ohne Einschränkung gehalten (19 ff.); und er
hat ein übriges getan, indem er auf die schweren Krankheiten weiterer
amerikanischer Delegationsmitglieder abgehoben hat (23).
Informationen, die nicht ebensogut bei der Lektüre des Bohlen-
Protokolls zur zweiten Vollversammlung der „großen Drei" am
5. Februar 1945 gewonnen werden könnten, enthält das Buch kaum.
Im Hauptteil, in dem er die Behandlung der Grenzfragen, der
„Zerstückelungs"-Problematik, der Fragen der Besatzungszonen,
der Besatzungspolitik und der Reparationen durch die Jalta-Konferenz
beschreibt, hält Weidenfeld sich referierend an dieses Protokoll.
Mit welchen — sicherlich kaum zufälligen — Mängeln diese
textnahe Darstellung zudem noch behaftet ist, läßt sich am Beispiel
des Maisky-Plans für Reparationsleistungen aus Deutschland
zeigen, der die allbekannte astronomische sowjetische 10-Milliarden-
Dollar-Forderung enthielt. Weidenfeld referiert diesen Plan fast
wörtlich (53 f.): nur mit Ausnahme jener Passage, in der Maisky
die sowjetischen Ansprüche inhaltlich begründete.
Bezieht man' in dieses Urteil den ersten Abschnitt der Monographie
mit ein, der die Vorgeschichte der Jalta-Konferenz behandelt
und ebenfalls — in äußerst kursorischer Form — wenig Neues
bringt, so muß das Literaturverzeichnis fast als unerklärlicher und
überflüssiger bibliographischer Aufwand erscheinen. Zu mehr als
einer knappen Orientierung wird das Buch sicherlich nicht dienen
können.
Frank Niess (Heidelberg)
Deuerlein, Ernst: Potsdam 194 5. Ende und Anfang. Verlag Wissenschaft
und Politik, Köln 1970 (156 S., br., 8,50 DM).
Der 1972 verstorbene Autor der vorliegenden Studie, der zuletzt
als Zeithistoriker in München lehrte, hat ein überaus umfangreiches
Oeuvre — Aufsätze, Monographien, Akteneditionen und Dokumentationen
— hinterlassen. Analysen und Quellensammlungen zur Entwicklung
der beiden deutschen Staaten nehmen darin einen zentralen
Platz ein. Und unter diesen wiederum dominieren Beiträge, die den
Zerfall der antifaschistischen Kriegskoalition im Kontext der interalliierten
Konferenzen behandeln und die jene Momente des wachsenden
Dissenses unter den vormals gegen das faschistische Deutschland
verbündeten Mächten herausarbeiten, welche die deutsche
Nachkriegsentwicklung präjudizierten. Weil er die erste Zusammen-