Klassenkämpfe in der BRD - Instituts für kritische Theorie (InkriT)

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Björn Pätzoldt
Die Entrechtung der ausländischen Arbeiter
durch das Ausländerrecht
Zur Rechtsgeschichte der Arbeiterimmigration in Deutschland
Die soziale Lage und die rechtliche Situation der ausländischen
Arbeiter in dieser Gesellschaft unterliegt grundsätzlich den gleichen,
im Verwertungsinteresse des Kapitals und im Ordnungsinteresse des
kapitalistischen Staats begründeten Determinanten, denen die inländischen
Arbeiter ausgesetzt sind. Das heißt, nicht nur die ausländischen,
auch die inländischen Arbeiter sind Fremdarbeiter insofern,
als sie nicht selbst über die Entwicklung ihrer Produktivkraft verfügen,
ihre Arbeitskraft als Ware verkaufen, für den Käufer ihrer
Arbeitskraft, den Kapitalisten, Mehrwert produzieren und entfremdet
sind vom Produkt ihrer Arbeit. Der Fremdarbeiterstatus der Ausländer
hat aber eine besondere, die Produktions- und Reproduktionsverhältnisse
der Inländer noch negativ überragende Qualität: Da das
Kapital an einem unverbrauchten, billigen, mobilen, jederzeit reproduzierbaren
Arbeitskräftepotential Interesse hat, und da der kapitalistische
Staat die erforderlichen Kosten zur Reproduktion der Arbeitskraft
des Ausländers zu tragen nicht bereit ist und zu verhindern
trachtet, daß das aus der sozialen Lage der Ausländer entstehende
politische Unruhepotential sich artikuliert, bedarf es im imperialistischen
Ausbeutungs- und Systemsicherungsinteresse eines diskriminierenden
Sonderrechts für Ausländer — „denn die Ausbeuter
der zivilisierten' Länder machen sich immer den Umstand zunutze,
daß die importierten ausländischen Arbeiter rechtlos sind" (W. I.
Lenin, 1917) K
Fremdenrecht zu Beginn des deutschen Imperialismus
Der Rechtsstatus von Ausländern war seit der stürmischen Entwicklung
der deutschen Industrie nach 1871, als hunderttausende ausländische
Arbeiter in Industrie und Landwirtschaft unter härtesten
Arbeits- und Lebensbedingungen beschäftigt wurden 2 , nicht durch
ein spezielles Ausländergesetz geregelt, sondern lediglich
1 W. I. Lenin, Zur Revision des Parteiprogramms. In: Werke, Bd. 26,
Berlin 1961, S. 155.
2 Vgl. Johannes Nichtweiss, Die ausländischen Saisonarbeiter in der
Landwirtschaft der östlichen und mittleren Gebiete des Deutschen Reiches,
Berlin o. J. (1959); W. Brepohl, Der Aufbau des Ruhrvolkes im Zuge der
Ost-West-Wanderung, Recklinghausen 1948; W. Becker, Die Bedeutung
der nichtagrarischen Wanderungen für die Herausbildung des industriellen
Proletariats in Deutschland, unter besonderer Berücksichtigung Preußens
von 1850 bis 1870. In: Studien zur Geschichte der Industriellen Revolution
in Deutschland, Berlin 1960, S. 209—240.