Klassenkämpfe in der BRD - Instituts für kritische Theorie (InkriT)
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Psychologie 483<br />
Duhm, Dieter: Angst im Kapitalismus. Verlag Kübler KG,<br />
Mannheim und Heidelberg 2 1974 01972) (161 S., br., 9,— DM).<br />
Duhms Buch ist vor allem unter Studenten und Schülern sehr populär<br />
geworden, weil es e<strong>in</strong>e marxistische Analyse des Phänomens<br />
Angst darstellen soll. Da es dies <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Weise ist, wird e<strong>in</strong>erseits<br />
den am Marxismus <strong>in</strong>teressierten jugendlichen Lesern e<strong>in</strong> völlig<br />
falscher Zugang zu marxistischer Anthropologie demonstriert, an<strong>der</strong>erseits<br />
wird es bürgerlichen Psychologen und Soziologen sehr leicht<br />
gemacht, das vorliegende Gebräu aus Vulgärpsychoanalyse und Vulgärmarxismus<br />
zu wi<strong>der</strong>legen, da es auf Unkenntnis sowohl <strong>der</strong> Psychoanalyse<br />
als auch des Marxismus beruht.<br />
Wo die Problematik <strong>der</strong> Konstrukthaftigkeit des Begriffes „Angst"<br />
nicht mit e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zigen Satz bedacht wird, kann das Wort Angst<br />
natürlich <strong>in</strong> vielerlei Bedeutungsgehalten auftreten: als schweres<br />
psychopathologisches Phänomen, als kle<strong>in</strong>e Schüchternheit, als Aggression<br />
— immer und überall sche<strong>in</strong>t es das gleiche zu bedeuten und<br />
auch <strong>in</strong> gleicher Weise „ableitbar" zu se<strong>in</strong>. Wovon? — natürlich von<br />
den „kapitalistischen Produktionsbed<strong>in</strong>gungen" und den von Duhm<br />
als kapitalismusspezifisch angesehenen Pr<strong>in</strong>zipien des Leistungsund<br />
Konkurrenzdruckes, <strong>der</strong> Herrschaft, <strong>der</strong> Entfremdung und des<br />
Warencharakters. Das sieht bei Duhm etwa so aus: „Die Warenbesitzer<br />
schließen mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> Geschäfte ab, ökonomische Geschäfte im<br />
ökonomischen Bereich, psychische Geschäfte im psychischen Bereich."<br />
(40) „Unweigerlich steht die Angst im H<strong>in</strong>tergrund: Mache ich's richtig?<br />
Was denkt <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e von mir? Wie stuft er mich e<strong>in</strong>? Wie hoch<br />
stehe ich bei ihm im Kurs?" (41) Das beliebte Spiel von Psycho-Marxianern<br />
<strong>der</strong> antiautoritären Phase, streng ökonomisch determ<strong>in</strong>ierte<br />
Begriffe („Ware" z. B.) unter <strong>der</strong> Hand <strong>in</strong> Metaphern <strong>für</strong> psychische<br />
Phänomene und Zustände zu verwandeln und nach diesem Handstreich<br />
wie<strong>der</strong>um so zu verfahren, als wären sie von den gleichen<br />
ökonomischen Gesetzen geprägt, wird bei Duhm endlos wie<strong>der</strong>holt.<br />
Da „tauschen" wir am Jahrmarkt <strong>der</strong> Eitelkeiten unsere „Ware"<br />
Schönheit und Intelligenz, um da<strong>für</strong> die „Ware" Prestige und Liebe<br />
zu bekommen und werden <strong>für</strong> dies schändliche, von Duhm merkwürdigerweise<br />
als „kapitalistisch" bezeichnete Tun (wo wir uns doch,<br />
se<strong>in</strong>er Aussage zufolge, noch <strong>in</strong> den Anfängen e<strong>in</strong>er Tauschgesellschaft<br />
bef<strong>in</strong>den müßten) natürlich mit Entfremdung und damit auch<br />
mit Angst bestraft. Duhms Vorliebe <strong>für</strong> dehnbare Vokabeln wird beson<strong>der</strong>s<br />
deutlich beim Wort „Entfremdung". Das „bedrohliche Walten<br />
anonymer Mächte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft" (46), die postulierte „Unfähigkeit<br />
<strong>der</strong> Eltern, die Warum-Frage vernünftig zu beantworten"<br />
(48), die „elterliche Richtergewalt" (48), Prüfungsängste und sexuelle<br />
Schwierigkeiten: sie alle zeugen von <strong>der</strong> tiefen Entfremdung des<br />
Menschen im Kapitalismus.<br />
Wie immer man dieses Wort bisher def<strong>in</strong>iert hat (ob als subjektive<br />
Kategorie, wie <strong>in</strong> <strong>der</strong> amerikanischen Alienation-Forschung o<strong>der</strong> als<br />
ökonomische wie im Marxismus): Duhm verwendet es <strong>in</strong> je<strong>der</strong> H<strong>in</strong>sicht<br />
verengt o<strong>der</strong> falsch. Verflacht auf e<strong>in</strong>e Kategorie allgeme<strong>in</strong>