Klassenkämpfe in der BRD - Instituts für kritische Theorie (InkriT)
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Jura 521<br />
In jüngere? Zeit bietet sich vor allem die neothomistische Naturrechtslehre<br />
an, <strong>für</strong> bestehende Zustände e<strong>in</strong>e Legitimation zu liefern.<br />
Verdross weist sich schon durch die Wahl des Titels als e<strong>in</strong>er ihrer<br />
Propagandisten aus.<br />
Die Neothomisten lehren, daß zwischen primärem und sekundärem<br />
Naturrecht zu unterscheiden sei. Das primäre Naturrecht, das sie<br />
e<strong>in</strong>er „allgeme<strong>in</strong>en menschlichen Natur" entnehmen zu können glauben,<br />
bestehe aus sehr wenigen, unverän<strong>der</strong>lichen Grundsätzen, sei<br />
also statisch; das sekundäre Naturrecht h<strong>in</strong>gegen sei verän<strong>der</strong>lich<br />
o<strong>der</strong> dynamisch, weil es „die dem Orte, <strong>der</strong> Zeit und dem Kulturstand<br />
entsprechende Konkretisierung" (108) <strong>der</strong> — wegen ihres<br />
Ewigkeitsanspruches abstrakten — primären Grundsätze vorbereite,<br />
die schließlich „vom positiven Recht verwirklicht werden soll" (108).<br />
Die Annahme, daß „die obersten Ziele des Naturrechts stets neue<br />
naturrechtliche Postulate hervortreiben, die ihre Realisierung durch<br />
das positive Recht anstreben" (113), führt sie dann folgerichtig dazu,<br />
das sekundäre Naturrecht e<strong>in</strong>er Zeit als nahezu vollständig <strong>in</strong> <strong>der</strong>en<br />
positivem Recht enthalten anzusehen. In den Worten Verdross':<br />
Sekundäres Naturrecht und positives Recht „wirken ... harmonisch<br />
zusammen, um die Lebensverhältnisse sachgemäß zu regeln" (58).<br />
Da Leerformeln (wie z. B. „Geme<strong>in</strong>wohl". „Jedem das Se<strong>in</strong>e" usw.),<br />
die mit potentiell jedem Inhalt versehen werden können, als primäre<br />
Grundsätze dieser Naturrechtslehre fungieren, läßt sich mit ihr auch<br />
je<strong>der</strong> durch positives Recht festgelegte Zustand sozialer Wirklichkeit<br />
als naturrechtlich gesollt verklären.<br />
Bezeichnen<strong>der</strong>weise machen die Neothomisten von dieser Möglichkeit<br />
— sei es bewußt o<strong>der</strong> nicht — immer Gebrauch, nie jedoch von<br />
<strong>der</strong> nach ihrer Lehre ebenfalls bestehenden, Normen des positiven<br />
Rechts <strong>für</strong> naturrechtswidrig zu erklären.<br />
Dabei nimmt sich die Deduktion des „Rechtsgehens auf <strong>der</strong> Straße"<br />
aus ewigen Grundsätzen noch harmlos aus neben den gleichfalls auf<br />
diese <strong>Theorie</strong> gestützten Rechtfertigungsversuchen <strong>der</strong> Diktatur Hitlers<br />
o<strong>der</strong> <strong>der</strong> von belgischen Neothomisten noch 1929 — unter Berücksichtigung<br />
<strong>der</strong> Interessen ihres Landes im Kongo — ausgegebenen<br />
Erkenntnis, die koloniale Zwangsarbeit wi<strong>der</strong>streite dem Naturrecht<br />
nicht unbed<strong>in</strong>gt.<br />
Daß auch Verdross hier<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e Ausnahme macht, sei abschließend<br />
demonstriert. Er leitet aus den von ihm ermittelten obersten Grundsätzen<br />
des Geme<strong>in</strong>wohls und <strong>der</strong> Menschenwürde unter an<strong>der</strong>em<br />
folgendes sekundär-naturrechtliches Postulat ab:<br />
„Der oberste Zweck allen Eigentums ist es, allen Menschen e<strong>in</strong>e<br />
menschenwürdige Versorgung mit allen zum Leben nötigen Gütern<br />
zu sichern. Daher muß allen Menschen die Möglichkeit gegeben werden,<br />
e<strong>in</strong> <strong>der</strong> Entwicklungsstufe entsprechendes Son<strong>der</strong>eigentum an<br />
allen Verbrauchsgütern zu erwerben.<br />
H<strong>in</strong>gegen kann das Eigentum an den Produktionsmitteln verschieden<br />
geregelt se<strong>in</strong>, da <strong>der</strong> oberste Zweck des Eigentums <strong>in</strong> verschiedenster<br />
Weise erreicht werden kann. Wenn sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Volke Men-