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Klassenkämpfe in der BRD - Instituts für kritische Theorie (InkriT)

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Psychologie 481<br />

lung" (19) erfahren? Überkommene Autoritäts- und Herrschaftsstrukturen,<br />

dem bürgerlichen Individuum Richtschnur se<strong>in</strong>es Verhaltens,<br />

haben — so Richter — ihren Wert verloren; es gelte, sie durch<br />

neue Interaktionsformen zu ersetzen, „auf neuen, unkonventionellen<br />

Wegen Kommunikationsmöglichkeiten zu... erschließen" (27). In<br />

Anlehnung an den Habermasschen Dualismus von Arbeit und Interaktion<br />

s<strong>in</strong>d bei Richter soziale Beziehungen nicht durch Arbeit vermittelt,<br />

son<strong>der</strong>n ersche<strong>in</strong>en als Selbstzweck. Die Sphäre <strong>der</strong> zwischenmenschlichen<br />

Kommunikation tritt damit <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Analyse als selbständige,<br />

gleichberechtigte neben die <strong>der</strong> Produktion. Die produktive<br />

Tätigkeit <strong>der</strong> Menschen und die zugehörigen Verkehrsformen stehen<br />

<strong>für</strong> Richter unverbunden nebene<strong>in</strong>an<strong>der</strong>, und somit ersche<strong>in</strong>t es ihm<br />

möglich, mit dem Abbau von Herrschaft dort zu beg<strong>in</strong>nen, wo sie<br />

dem aufgeklärten Bürger selbst als Fessel ersche<strong>in</strong>t: <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sphäre<br />

<strong>der</strong> zwischenmenschlichen Interaktion.<br />

Entfalten sich nach Richter die wesentlichen Merkmale menschlicher<br />

Existenz im Medium <strong>der</strong> Kommunikation und versteht er Gesellschaft<br />

lediglich als Zusammenschluß vielfältiger sozialer Substrukturen,<br />

so kann er folgerichtig die Gruppe als „M<strong>in</strong>iaturgesellschaft"<br />

bezeichnen, „<strong>in</strong> <strong>der</strong> diejenigen Interaktionsweisen e<strong>in</strong>geübt<br />

werden sollen, die sie (die Gruppenmitglie<strong>der</strong>, L. H.) sich als verb<strong>in</strong>dlich<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er neuen Gesellschaft wünschen" (45). Hauptthema e<strong>in</strong>er<br />

politischen Arbeit wird <strong>für</strong> Richter damit das Auff<strong>in</strong>den, E<strong>in</strong>üben<br />

und Weitervermitteln neuer Interaktionsmuster, wie sie modellhaft<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Gruppe vorgezeichnet werden. Auf dem H<strong>in</strong>tergrund<br />

e<strong>in</strong>er solchen psychologisierenden Auffassung wird dann folgende<br />

Charakteristik <strong>der</strong> zwei „Flügel" (65) politisch Aktiver verständlich,<br />

die Richter <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Gruppen aufzuf<strong>in</strong>den me<strong>in</strong>t: die e<strong>in</strong>en — radikalrevolutionär<br />

(64), gleichgeschaltetes Kampfkollektiv (50), Politiker<br />

(231) — leiten alle Phänomene „ausschließlich aus den sozioökonomischen<br />

Strukturen <strong>der</strong> Gesellsdiaft" (190) ab, während die an<strong>der</strong>en<br />

— reformsozialistisch (64), Praktiker (235) — „nicht an die totale<br />

Determ<strong>in</strong>iertheit des Mensdien „glauben" (190), „sie glauben vielmehr<br />

daß je<strong>der</strong> Mensch dennoch e<strong>in</strong>en Spielraum habe, ... sich zu wehren,<br />

... neue Beziehungsformen e<strong>in</strong>zuüben ..." (190).<br />

Der Psychologismus Richters verrät sich schließlich vollends dort,<br />

wo ihm die Psychoanalyse ganz unvermittelt als erkenntnis<strong>kritische</strong>s<br />

Instrument <strong>der</strong> Interpretation gesellschaftlicher Zusammenhänge<br />

dient: so wird z. B. das Ghettoproblem <strong>der</strong> Armen und Obdachlosen<br />

als Resultat e<strong>in</strong>er kollektiven Sündenbockstrategie analysiert, <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

bestimmte Gruppen durch kollektive Abwehr an den Rand <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

gedrängt und dort gehalten werden. „Um diese unsere<br />

heimliche , Asozialität' und Verwahrlosung nicht sehen zu müssen,<br />

brauchen wir die Existenz von Ghettos..." (203). Daß Richter mit<br />

solcher Ansicht ganz unvermerkt wie<strong>der</strong> dem Freudschen Kulturpessimismus<br />

verfällt, wun<strong>der</strong>t weiter nicht.<br />

Obwohl Richter e<strong>in</strong>en nicht unbeträchtlichen Teil se<strong>in</strong>es Buches<br />

e<strong>in</strong>er, wie ich me<strong>in</strong>e, gründlich mißlungenen <strong>Theorie</strong> <strong>der</strong> gesellsdiaft-

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