Klassenkämpfe in der BRD - Instituts für kritische Theorie (InkriT)
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Streikkämpfe iri <strong>der</strong> <strong>BRD</strong> 1971 bis 1974 393<br />
Benz<strong>in</strong>- und ölmangel, über zukünftiges „Nullwachstum" usw. hatte<br />
<strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie die Funktion, die Arbeiter e<strong>in</strong>zuschüchtern, und bee<strong>in</strong>flußte<br />
zweifellos auch die Konjunkturentwicklung zusätzlich negativ.<br />
In <strong>der</strong> Stahl<strong>in</strong>dustrie war die Situation <strong>für</strong> die Gewerkschaften<br />
weitaus am günstigsten. Denn diese Branche war <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Weise<br />
von e<strong>in</strong>em Konjunkturrückgang betroffen, son<strong>der</strong>n erlebte im Gegenteil<br />
e<strong>in</strong>en ausgesprochenen Boom. Aber die hier schon Ende November<br />
1973 bzw. Mitte Januar 1974 kampflos zustande gekommenen<br />
Abschlüsse von 11 °/o bei IOV2 bzw. 10 Monaten Laufzeit (<strong>in</strong> Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen<br />
bzw. im Saarland) waren deutlich unter dem Erreichbaren<br />
geblieben. Überdies weigerte sich „Gesamtmetall", die<br />
Stahl-Abschlüsse als Modell <strong>für</strong> die Metallverarbeitung gelten zu<br />
lassen. Die Unternehmer wußten natürlich genau, daß die Großbetriebe<br />
<strong>der</strong> Metall<strong>in</strong>dustrie (<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Automobil<strong>in</strong>dustrie)<br />
aufgrund des Konjunkturabschwungs wesentlich weniger durch<br />
Streikdrohungen unter Druck gesetzt werden konnten, als dies bei<br />
<strong>der</strong> Stahl<strong>in</strong>dustrie <strong>der</strong> Fall gewesen wäre.<br />
1, Die Streiks im öffentlichen Dienst <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />
In dieser Situation war es zweifellos günstig, daß die ÖTV <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Tarifrunde jetzt die Rolle des „Vorreiters" übernahm. Denn im Bereich<br />
des öffentlichen Dienstes hat die (tatsächliche o<strong>der</strong> verme<strong>in</strong>tliche)<br />
Gefährdung <strong>der</strong> Arbeitsplätze als Mittel des Drucks und <strong>der</strong><br />
Erpressung gegen die Arbeiterklasse längst nicht jene Bedeutung<br />
wie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Industrie. Die stärkere Aktivierung <strong>der</strong> Beschäftigten des<br />
öffentlichen Dienstes, die bereits im Herbst 1973 wesentlich zur<br />
Durchsetzung <strong>der</strong> Zahlung e<strong>in</strong>es vollen 13. Monatsgehalts beigetragen<br />
hatte, hatte sich auch bei <strong>der</strong> Vorbereitung <strong>der</strong> neuen Tarifrunde<br />
1974 fortgesetzt. Unter Berufung auf e<strong>in</strong>en entsprechenden<br />
Beschluß des letzten Gewerkschaftstages war die Mitgliedschaft <strong>der</strong><br />
ÖTV ausdrücklich zur Diskussion und zur Aufstellung von For<strong>der</strong>ungen<br />
aufgerufen worden. Erstmals kamen hier <strong>in</strong> großem Umfang<br />
For<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> gleichen Größenordnung zustande, wie sie von<br />
den Belegschaften <strong>der</strong> Großbetriebe <strong>der</strong> Stahl- und Metall<strong>in</strong>dustrie<br />
aufgestellt wurden. Die Bandbreite <strong>der</strong> <strong>in</strong> den Betrieben und Büros<br />
des öffentlichen Dienstes aufgestellten For<strong>der</strong>ungen reichte von<br />
15 °/o bis 20 % mehr Lohn und Gehalt. Die Große Tarifkommission<br />
orientierte sich an <strong>der</strong> Untergrenze dieser For<strong>der</strong>ungen und präsentierte<br />
Ende November 1973 den folgenden For<strong>der</strong>ungskatalog: 15%,<br />
m<strong>in</strong>destens jedoch 185 DM mehr Lohn und Gehalt sowie 300 DM<br />
Urlaubsgeld. Die Tarifkommissionen <strong>der</strong> Deutschen Postgewerkschaft<br />
(DPG) und <strong>der</strong> Gewerkschaft <strong>der</strong> Eisenbahner Deutschlands<br />
(GdED) bewegten sich ebenfalls im Rahmen dieser For<strong>der</strong>ungen. Die<br />
DAG stellte e<strong>in</strong>e For<strong>der</strong>ung <strong>in</strong> Höhe von 14% auf. — Nachdem<br />
schon die erste Verhandlungsrunde im Dezember 1973 gescheitert<br />
war, wurde auch die zweite Runde am 8. 1. bereits nach wenigen<br />
Stunden ergebnislos abgebrochen. Denn die Vertreter <strong>der</strong> öffentlichen<br />
Hand hatten lediglich e<strong>in</strong> „Angebot" von 7,5 % vorgelegt, was