Klassenkämpfe in der BRD - Instituts für kritische Theorie (InkriT)
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462 Besprechungen<br />
Lehrprozeß <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>BRD</strong> e<strong>in</strong>stellten, konnte den modischen und lukrativen<br />
Boom <strong>der</strong> „mo<strong>der</strong>nen L<strong>in</strong>guistik" offenbar mangels e<strong>in</strong>er besseren<br />
Sprachwissenschaft nicht bremsen: 1973 wurden die überarbeiteten<br />
Sendetexte <strong>in</strong> großer Auflage (1.—25. Tausend April/Mai, 26.—<br />
40. Tausend Juli 1973) verkauft, <strong>für</strong> 1974 werden die <strong>in</strong>haltlich nicht<br />
wesentlich an<strong>der</strong>en Studienbegleitbriefe zur Neuveröffentlichung<br />
überarbeitet.<br />
Doch <strong>der</strong> Anspruch e<strong>in</strong>er umfassenden und didaktisch aufbereiteten<br />
E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die Wissenschaft von <strong>der</strong> Sprache bricht sich daran,<br />
daß es e<strong>in</strong>e solche e<strong>in</strong>heitliche Diszipl<strong>in</strong> <strong>der</strong>zeit gar nicht gibt und<br />
vielmehr die selbsternannte E<strong>in</strong>zelwissenschaft ihren Gegenstand im<br />
Gefolge Saussures sehr willkürlich def<strong>in</strong>iert hat. Der künstliche Fachcode<br />
<strong>der</strong> strukturalistischen L<strong>in</strong>guistik ist, trotz richtiger und wichtiger<br />
E<strong>in</strong>zelaussagen, nicht aus den historischen und gesellschaftlichen<br />
Eigenarten des wirklichen Gegenstandes <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>heit von<br />
Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte, Struktur und gesellschaftlicher<br />
Funktion entwickelt, son<strong>der</strong>n botanisiert ihn zur toten Form.<br />
Daß viele <strong>der</strong> 53 °/o Lehrer unter den Teilnehmern die Mitarbeit aufgaben,<br />
ersche<strong>in</strong>t, neben den Schwierigkeiten beim Auswendiglernen,<br />
als Ausdruck ihrer Ratlosigkeit, was die Verwendung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em auf<br />
Reflexion über Sprache orientierten Unterricht angeht. Doch sollte<br />
man sich nicht über die Gefahren täuschen, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>nerhalb<br />
se<strong>in</strong>er eigenen Grenzen — welche nie begriffen, daher nie verdeutlicht<br />
und auch erst <strong>in</strong> <strong>der</strong> Abschlußdiskussion im Rundfunk auf Maas'<br />
vehemente Kritik h<strong>in</strong> vom wissenschaftlichen Koord<strong>in</strong>ator Baumgärtner<br />
überhaupt e<strong>in</strong>gestanden werden — e<strong>in</strong>igermaßen (im Funkkolleg<br />
allerd<strong>in</strong>gs nur sehr beschränkt) stimmigen Vokabular und<br />
methodischen Apparat stecken: Gefahren nämlich e<strong>in</strong>er nicht <strong>der</strong> Anstrengung<br />
des Begriffs geschuldeten, son<strong>der</strong>n ex cathedra mediorum<br />
dekretierten Diszipl<strong>in</strong>ierung des Denkens und folglich <strong>der</strong> Immunisierung<br />
praktisch-politischer Fähigkeiten. Fundierter als im hier besprochenen<br />
Buch (III) wies Maas 1973 auf die Legitimationsfunktion<br />
<strong>der</strong> „re<strong>in</strong>en Wissenschaftlichkeit" <strong>der</strong> Funkkolleg-L<strong>in</strong>guistik h<strong>in</strong><br />
(L<strong>in</strong>guistik und Didaktik 13, 34—52, beson<strong>der</strong>s 44—50).<br />
Wie dem gesamten l<strong>in</strong>guistischen Strukturalismus liegt dem Funkkolleg<br />
Sprache <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en ersten vier Teilen (I und II bis 172) das Paradigma<br />
vom autonomen (hier: sprechenden) Individuum zugrunde,<br />
welches per Vertrag bzw. hier unter Ausnutzung ihm vorgegebener<br />
Regelsysteme die Vermittlung (Kommunikation) mit an<strong>der</strong>en Individuen<br />
bewältigt. Der fünfte und letzte Teil (II, 175—294) setzt teils<br />
durch Addition, teils <strong>in</strong> offenem Wi<strong>der</strong>spruch zu den Voraussetzungen<br />
<strong>der</strong> ersten Teile e<strong>in</strong>e „soziol<strong>in</strong>guistische" Perspektive h<strong>in</strong>zu, die<br />
freilich das wirkliche Verhältnis von Gesellschaft und Individuum<br />
und auf dieser Grundlage das Verhältnis von Allgeme<strong>in</strong>em <strong>der</strong><br />
Sprache und Beson<strong>der</strong>em <strong>der</strong> Sprechakte ke<strong>in</strong>eswegs klärt.<br />
Die ersten dreie<strong>in</strong>halb Hauptteile (bis II, 101) führen <strong>in</strong> das Regelsystem<br />
<strong>in</strong>doeuropäischer Sprachen am Beispiel des Deutschen e<strong>in</strong>,<br />
wie es vom Strukturalismus erarbeitet wurde. Der erste Hauptteil