Klassenkämpfe in der BRD - Instituts für kritische Theorie (InkriT)
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492 Besprechungen<br />
von Forschungsergebnissen. Nicht nur, daß die historisch-materialistischen<br />
Arbeiten zur Entwicklung <strong>der</strong> bürgerlichen Gesellschaft<br />
vom Autor l<strong>in</strong>ks liegen gelassen werden, auch die neuere Entwicklung<br />
<strong>der</strong> Sozialgeschichtsschreibung f<strong>in</strong>det ke<strong>in</strong>e Berücksichtigung.<br />
— Beim heutigen Stand <strong>der</strong> Diskussion auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> bürgerlichen Geschichtsschreibung<br />
braucht die Industrialisierung nicht mehr vor<br />
allem auf e<strong>in</strong>e Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> geistigen Atmosphäre zurückgeführt<br />
zu werden (S. 9), und <strong>der</strong> Vorsprung Englands <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>dustriellen<br />
Entwicklung wird längst <strong>in</strong> Kategorien erklärt, welche aus <strong>der</strong> <strong>Theorie</strong><br />
<strong>der</strong> ursprünglichen Akkumulation stammen. — Obwohl dem<br />
Verfasser durchaus anschauliche Passagen gelungen s<strong>in</strong>d, ist wegen<br />
des völligen Verzichts auf Analyse dieses Buch auch als E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong><br />
die Problematik ungeeignet. Heide Gerstenberger (Gött<strong>in</strong>gen)<br />
Henn<strong>in</strong>g, Hans Joachim: Das westdeutsche Bürgertum<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Epoche <strong>der</strong> H o c h i n d u s t r i a 1 i s i e r u n g<br />
1860 — 191 4. Soziales Verhalten und soziale Strukturen. Teil I:<br />
Das Bildungsbürgertum <strong>in</strong> den preußischen Westprov<strong>in</strong>zen. Franz<br />
Ste<strong>in</strong>er Verlag, Wiesbaden 1972 (509 S., Ln., 68,— DM).<br />
Der Autor beschränkt sich darauf, regionale Studien <strong>in</strong> den drei<br />
preußischen Westprov<strong>in</strong>zen Hannover, Westfalen und <strong>der</strong> Rhe<strong>in</strong>prov<strong>in</strong>z<br />
durchzuführen. Die trotz gewisser sozialstruktureller und ökonomischer<br />
Spezifika <strong>der</strong> verschiedenen Prov<strong>in</strong>zen weitgehende Identität<br />
<strong>der</strong> bürgerlichen Verhaltensmerkmale hätte auch e<strong>in</strong>e Begrenzung<br />
des Untersuchungsraumes auf lediglich e<strong>in</strong>e Prov<strong>in</strong>z erlaubt.<br />
Abgesehen davon, daß durch diese Straffung die Publikation gewiß<br />
erheblich billiger geworden wäre, wären dem Leser auch stereotype<br />
Wie<strong>der</strong>holungen erspart geblieben. Gegenstand des ersten Bandes<br />
s<strong>in</strong>d ausschließlich die Beamten und selbständige Berufsgruppen wie<br />
Ärzte, Architekten, Apotheker und Rechtsanwälte, <strong>der</strong>en enge soziale<br />
B<strong>in</strong>dungen zue<strong>in</strong>an<strong>der</strong> Henn<strong>in</strong>g nachweist und die von ihm unter<br />
dem Begriff des Bildungsbürgertums subsumiert werden. Entgegen<br />
den liberalen Vorstellungen im aufsteigenden Kapitalismus, daß die<br />
Beamtenschaft sich als Teil <strong>der</strong> staatlichen Exekutive von <strong>der</strong> gesellschaftlichen<br />
Sphäre verselbständigt habe und daher e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e<br />
soziale Position e<strong>in</strong>nehme, wird <strong>in</strong> dem Band klar ersichtlich,<br />
daß durch personelle wie gesellschaftliche Verflechtungen, durch die<br />
Mitgliedschaft <strong>in</strong> „geselligen Vere<strong>in</strong>en" und nicht zuletzt durch die<br />
Zusammenarbeit <strong>in</strong> partei- und kommunalpolitischen Gremien die<br />
Beamten fest <strong>in</strong> jene Gruppen <strong>der</strong> wirtschaftlich Selbständigen <strong>in</strong>tegriert<br />
waren (482). Je stärker sich die akademisch gebildete Beamtenschaft<br />
— vor allem nach 1890 — dem Großbürgertum annäherte,<br />
um so höher wurde dort neben dem Besitz die humanistische Bildung<br />
als verme<strong>in</strong>tliche Resultante <strong>in</strong>dividueller Leistung gewürdigt und<br />
verschaffte <strong>der</strong> Beamtenschaft e<strong>in</strong> hohes gesellschaftliches Ansehen.<br />
Obwohl Henn<strong>in</strong>g selbst unter dem Druck se<strong>in</strong>er umfangreichen<br />
Materialien e<strong>in</strong>räumen muß, daß die Beamtenschaft sich <strong>in</strong> vielfälti-