Klassenkämpfe in der BRD - Instituts für kritische Theorie (InkriT)

418 Björn Pätzoldt
Repressionsmaänahmen des Staates und der Wirtschaft
Insbesondere seit den Septemberstreiks 1969, an denen ein großer
Teil der inzwischen mehr als 11/2 Millionen ausländischen Arbeiter
88 aktiv teilnahm 89 , haben die Arbeiterimmigranten innerhalb
und außerhalb der Betriebe Aktionsformen zur Durchsetzung ihrer
Interessen entwickelt, die Staat und Wirtschaft zu neuen Repressionsmaßnahmen
veranlaßten:
— Im Februar 1970 wies Bundesinnenminister Genscher das Bun- .
desamt für Verfassungsschutz an, „politisch extreme Ausländergruppen
gezielt zu beobachten" 40 ; aufgrund interner Ländererlasse
wurde eine engere Zusammenarbeit zwischen Ausländerund
Verfassungsschutzbehörden verordnet 41 ; auf Konferenzen
der Innenminister der Länder wurde seit 1969/70 die Koordination
von Maßnahmen gegen politisch aktive Ausländer und Ausländergruppen
durch Ausländerbehörden, mit Staatsschutzsachen
beauftragte Polizeidienststellen, durch Zentralstellen der Kriminalpolizei,
Verfassungsschutzbehörden und durch den Bundesgrenzschutz
vereinbart 42 ; am 22. Juni 1972 wurde ein neues Verfassungsschutzgesetz
zur besseren Überwachung von Aktivitäten,
die „auswärtige Belange" der BRD gefährden könnten, verabschiedet
43 .
— Stehen Werkschutzangehörige und Betriebsdolmetscher seit je her
im Spitzeldienst der Unternehmen, so vereinbarten am 10. November
1971 die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
und das Bundesamt für Verfassungsschutz zusätzlich eine
enge Zusammenarbeit zur Überwachung von Ausländern „bei
illegalen Streiks" und „politisch motivierte(n) Ausschreitungen
in den Betrieben" 44 .
Hatte bereits die nationalsozialistische Verwaltung eine zentrale
Registrierung der ausländischen Arbeiter im Verantwortungsbereich
des Reichsinnenministeriums in Berlin eingeführt, so wurde auch im
38 September 1969: 1 501 409 — Quelle: ANBA.
39 Vgl. Die Septemberstreiks 1969. Darstellung, Analyse Dokumente,
hrsg. vom Institut für Marxistische Studien und Forschungen, Frankfurt/M.
1969, insbesondere S. 124, 128, 241.
40 Vgl. Bulletin Nr. 84/S. 1156, Bonn, 8. Juni 1972.
41 So z. B. der Westberliner Ausländererlaß Nr. III C 1 — 0345/32 vom
10. März 1972 (hier Teil A. Zu § 21 Ziffer 5). Vgl. zu diesem Komplex auch:
Björn Pätzoldt, Fremdarbeiterpolitik und Ausländerrecht in der BRD und
Westberlin. In: Berliner Extra-Dienst Nr. 75—78/VI, (hier: Berliner Extra-
Dienst Nr. 75/VI, S. 11 f.).
42 Vgl. Pätzoldt, a.a.O., (hier: Berliner Extra-Dienst, Nr. 77/VI, S. 18 f.).
43 BT-Drucksache VI/3533. Vgl. auch: Pätzoldt, a.a.O., (hier: Berliner
Extra-Dienst Nr. 76/VI, S. 16 f.).
44 Aus: Informationen zur Ausländerbeschäftigung, hrsg. von der
Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Heft 4, März 1972,
S. 18.