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Klassenkämpfe in der BRD - Instituts für kritische Theorie (InkriT)

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Streikkämpfe iri <strong>der</strong> <strong>BRD</strong> 1971 bis 1974 395<br />

liehen Dienst seit 1958. Der Streik erstreckte sich auf das ganze Bundesgebiet<br />

und konzentrierte sich natürlich auf die großstädtischen<br />

Ballungszentren. Die Zahl <strong>der</strong> Streikenden erreichte etwa 250 000.<br />

Die Arbeitsnie<strong>der</strong>legungen betrafen schwerpunktmäßig Postzustellung,<br />

Müllabfuhr und Straßenre<strong>in</strong>igung, den öffentlichen Nahverkehr<br />

sowie verschiedene Verwaltungsbehörden. Der Betrieb <strong>der</strong><br />

Bundesbahn lief allerd<strong>in</strong>gs weitgehend normal. Vor allem wegen<br />

des weitgehenden Ausfalls des öffentlichen Nahverkehrs brachte <strong>der</strong><br />

Streik unvermeidlich auch <strong>für</strong> die werktätige Bevölkerung Erschwernisse<br />

mit sich. Gerade dies nutzte die Propaganda <strong>der</strong> Regierung<br />

und <strong>der</strong> Massenmedien weidlich aus, um die Streikenden von<br />

<strong>der</strong> Bevölkerung zu isolieren: Zu dem Argument, <strong>der</strong> Streik und die<br />

ihm zugrundeliegenden Lohnfor<strong>der</strong>ungen seien „verantwortungslos",<br />

weil sie angeblich Preisstabilität und Arbeitsplätze gefährdeten,<br />

trat die zusätzliche Behauptung, <strong>der</strong> Streik werde „auf dem<br />

Rücken <strong>der</strong> Bürger ausgetragen". Auf teilweise außerordentlich<br />

böswillige Art wurden die gewerkschaftlichen Organisationen <strong>der</strong><br />

Beschäftigten des öffentlichen Dienstes — <strong>in</strong> Kommentaren und<br />

Karikaturen <strong>der</strong> Presse oft symbolisiert durch den ÖTV-Vorsitzenden<br />

Kluncker — als egoistische, rücksichts- und verantwortungslose<br />

Vertreter von Son<strong>der</strong><strong>in</strong>teressen dargestellt, die sich angeblich über<br />

jedes gesamtgesellschaftliche Interesse h<strong>in</strong>wegsetzten. Aber trotz<br />

dieses propagandistischen Trommelfeuers blieb die Streikfront fest<br />

und geschlossen. Auch <strong>der</strong> Versuch, die werktätige Bevölkerung gegen<br />

die Streikenden aufzubr<strong>in</strong>gen, scheiterte. Die Mehrheit <strong>der</strong> arbeitenden<br />

Menschen brachte dem Streik im öffentlichen Dienst Verständnis<br />

entgegen. Dies h<strong>in</strong>g sicherlich nicht zuletzt damit zusammen,<br />

daß sich die meisten Arbeiter und Angestellten außerhalb des<br />

öffentlichen Dienstes durchaus darüber klar waren, daß <strong>in</strong> diesem<br />

Arbeitskampf auch wesentliche Vorentscheidungen über die eigenen<br />

Lohn- und Gehaltserhöhungen fielen. Daß die Bevölkerung sich<br />

nicht gegen die Streikenden stellte, ist um so höher e<strong>in</strong>zuschätzen, als<br />

von seiten <strong>der</strong> Gewerkschaften so gut wie nichts getan wurde, um<br />

<strong>der</strong> Antistreikpropaganda durch e<strong>in</strong>e eigene Öffentlichkeitsarbeit<br />

entgegenzutreten. Fast überall beschränkten sich die Streikleitungen<br />

darauf, Plakate mit dem schlichten Text „Hier wird gestreikt!" aufzuhängen.<br />

Die zweifellos vorhandenen Möglichkeiten, mit Hilfe <strong>der</strong><br />

aktiven Gewerkschaftsmitglie<strong>der</strong> Flugblätter zu verteilen, Informationsstände<br />

e<strong>in</strong>zurichten usw., um <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bevölkerung Sympathie<br />

<strong>für</strong> die gewerkschaftlichen For<strong>der</strong>ungen und Verständnis <strong>für</strong> die mit<br />

<strong>der</strong> Lohnause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung verbundenen Unbequemlichkeiten zu<br />

wecken, wurden nicht genutzt. Der Streik dauerte <strong>in</strong>sgesamt nur<br />

drei Tage. Angesichts <strong>der</strong> Geschlossenheit <strong>der</strong> Kampffront gab die<br />

Regierung verhältnismäßig schnell nach. Nachdem sie ihr Angebot<br />

zunächst auf 10 °/o, dann auf 10,5 °/o (m<strong>in</strong>destens 140 DM) erhöht<br />

hatte, gestand sie schließlich Lohn- und Gehaltserhöhungen von<br />

11%, m<strong>in</strong>destens jedoch 170 DM, zu. Durch diesen M<strong>in</strong>destbetrag<br />

war <strong>für</strong> die unteren Lohn- und Gehaltsgruppen e<strong>in</strong>e tatsächliche<br />

Reallohnsteigerung durchgesetzt. Das Problem des Urlaubsgeldes

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