Klassenkämpfe in der BRD - Instituts für kritische Theorie (InkriT)
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Entrechtung <strong>der</strong> ausländischen Arbeiter 417<br />
spielsweise bei Agitation <strong>in</strong> Betrieben <strong>der</strong> Wirtschaft und Industrie<br />
(z. B. Aufhetzung o<strong>der</strong> Verhetzung ausländischer Arbeitnehmer mit<br />
klassenkämpferischen Parolen zur Störung des Arbeits- und •Betriebsfriedens;<br />
Verteilen von Flugblättern und Broschüren vor Universitäten<br />
o<strong>der</strong> <strong>in</strong> verkehrsreichen Straßen) gegeben **."<br />
So fällt <strong>der</strong> Protest von ausländischen Arbeitern gegen Lohndiktat<br />
und gesundheitsgefährdende Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen — wie er beispielsweise<br />
<strong>in</strong> den jüngsten spontanen Streiks im Sommer 1973 zum Ausdruck<br />
kam — unter diesen Tatbestand, <strong>für</strong> den <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong> gemäß<br />
§ 47 (1) Nr. 4 AusIG mit „Gefängnis bis zu e<strong>in</strong>em Jahr und mit Geldstrafe<br />
o<strong>der</strong> mit e<strong>in</strong>er dieser Strafen" bestraft werden kann.<br />
Konjunkturpolitisches Krisen<strong>in</strong>strument<br />
Die mit dem AusIG formal legalisierte Entrechtung des Auslän<strong>der</strong>s<br />
bietet erst die Gewähr <strong>für</strong> die freie Verfügbarkeit über die ausländische<br />
Arbeitskraft, die je nach Verwertungs<strong>in</strong>teresse des Kapitals,<br />
je nach Konjunkturverlauf und politischer Opportunität austauschbar<br />
bzw. abschiebbar ist. In <strong>der</strong> Rezession von 1966/67 bewährte sich<br />
das Auslän<strong>der</strong>gesetz als konjunkturpolitisches Krisen<strong>in</strong>strument:<br />
400 000 ausländische Arbeiter, auf <strong>der</strong>en Arbeitskraft das Kapital<br />
vorübergehend verzichten konnte, hatten die <strong>BRD</strong> bis Januar 1968<br />
verlassen müssen S4 .<br />
Als nach Uberw<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Rezession die Nachfrage nach Arbeitskräften<br />
wie<strong>der</strong> erheblich anstieg und erneut mehr als e<strong>in</strong>e Million<br />
Auslän<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>BRD</strong> und Westberl<strong>in</strong> beschäftigt waren 85 , verabschiedete<br />
<strong>der</strong> Bundestag (am 25. Juni 1969) e<strong>in</strong> Arbeitsför<strong>der</strong>ungsgesetz,<br />
dessen § 19 e<strong>in</strong>e Spezialregelung zur Erteilung <strong>der</strong> Arbeitserlaubnis<br />
<strong>für</strong> Auslän<strong>der</strong> enthält: „Die Erlaubnis wird nach Lage und<br />
Entwicklung des Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Verhältnisse<br />
des e<strong>in</strong>zelnen Falles erteilt. Sie ist zu befristen und kann<br />
auf bestimmte Betriebe, Berufsgruppen, Wirtschaftszweige o<strong>der</strong> Bezirke<br />
beschränkt werden S6 ." Auch die Arbeitserlaubnisverordnung<br />
vom 2. März 1971 sieht vor, daß die Arbeitserlaubnis <strong>für</strong> Auslän<strong>der</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nur „<strong>für</strong> e<strong>in</strong>e bestimmte berufliche Tätigkeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
bestimmten Betrieb" erteilt wird und daß die Erteilung „abhängig<br />
(ist) von Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes" (§ 1) 37 . So bef<strong>in</strong>det<br />
sich e<strong>in</strong> großer Teil <strong>der</strong> ausländischen Arbeiter nicht e<strong>in</strong>mal<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> gleichen Lage wie die westdeutschen Kollegen, die ihre Arbeitskraft<br />
gemäß Artikel 12 (1) GG zum<strong>in</strong>dest entsprechend den<br />
Marktbed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> kapitalistischen Gesellschaft verkaufen<br />
können.<br />
33 Kane<strong>in</strong>, a.a.O., S. 76.<br />
34 September 1966: 1 313 491 — Januar 1968: 903 591; Quelle: ANBA.<br />
35 März 1969: 1 233 087 — Juni 1969: 1 371 059; Quelle: ANBA.<br />
36 Arbeitsför<strong>der</strong>ungsgesetz vom 25. Juni 1969 (BGBl. I, S. 582); zuletzt<br />
geän<strong>der</strong>t durch die Anpassungsverordnung 1973 vom 5. 12. 1972 (BGBl. I,<br />
S. 2294).<br />
37 Verordnung über die Arbeitserlaubnis <strong>für</strong> nichtdeutsche Arbeitnehmer<br />
(Arbeitserlaubnisverordnung) vom 2. März 1971 (BGBl. I, S. 152).