Klassenkämpfe in der BRD - Instituts für kritische Theorie (InkriT)

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menschlicher Lebenserfahrung verengt er dieses sichtlich noch auf die
schmalen Primärerfahrungen studentischer Basisgruppen, so daß er
etwa jugendliche Befangenheit gegenüber dem anderen Geschlecht
oder Sprechangst im Seminar gleich mit dem hochtönenden Wort
„Entfremdung" belegen kann. Für Marx entsteht Entfremdung dort,
wo infolge kapitalistischer Produktionsbedingungen sich den Arbeitern
die Produkte und Formen eigener Tätigkeit in eine ihnen fremde,
sie unterjochende Macht verwandeln. „Der Zusammenhang ihrer
Arbeiten tritt ihnen daher ideell als Plan, praktisch als Autorität des
Kapitalisten gegenüber, als Macht eines fremden Willens, der ihr
Tun seinem Zweck unterwirft" (K. Marx, Das Kapital, Bd. I,
MEW 23, S. 351).
Ob und wie aus der solcherart definierten Entfremdung „Angst"
entsteht, ist ganz sicher ein außerordentlich wichtiges Problem. Mit
der bloß metaphorischen Übertragung des Wortes auf irgendwelche
unangenehmen („angstvollen") Erlebnisqualitäten ist aber eine Analyse
nicht geleistet. Es ist damit noch nicht einmal ansatzweise fixiert,
wo die differenzierte Ableitung eines psychischen Phänomens aus
den Produktionsbedingungen überhaupt ansetzen sollte.
Aus der jedem Materialismus abgeneigten Analyse bei Duhm folgt,
daß nicht etwa der Klassenkampf, sondern Angst „Motor des neuen
Bewußtseins und als solcher Teil unseres revolutionären Prozesses"
(153) ist.
Nach guter alter Manier der Existenzialisten wird jenem diffus
gefaßten Phänomen Angst denn auch geheimnisvoll-positive Qualität
zugesprochen. „Zeugt doch das Angsterleben von einem Freiheitsanspruch,
der aufgrund 1 des Entwicklungsstandes unserer Produktivkräfte
längst erfüllt werden könnte." (153)
Für den Leser allerdings zeugt Duhms Angstanalyse höchstens dafür,
daß man bei der Ableitung psychischer Gegebenheiten aus dem
Kapitalismus Marx lesen sollte.
Eva Jaeggi (Berlin/West)
Medizin
KSV-Zelle-Medizin an der FU-Berlin: Gesundheitswesen
im Klassenkampf. Materialistische Wissenschaft, Bd. 4.
Oberbaum-Verlag, Berlin/West 1973 (425 S., br., 14,50 DM).
In dem vom „Kommunistischen Studentenverband der KPD-AO"
herausgegebenen Buch, einer Zusammenfassung und Aufarbeitung
von Materialien zum Gesundheitswesen, soll versucht werden, nicht
nur Mißstände zu benennen, sondern auch deren Ursachen aufzuzeigen
(7). In den Abschnitten über die historische Entwicklung des
deutschen Gesundheitswesens, die gegenwärtigen Tendenzen bundes-