Klassenkämpfe in der BRD - Instituts für kritische Theorie (InkriT)

Soziale Bewegung und. Politik 499
wie sich die besatzungspolitische Praxis in den jeweiligen Zonen zu
den Potsdamer Beschlüssen verhielt. Ob er das Problem der Entmilitarisierung,
der Entnazifizierung, der Dezentralisierung oder der
Demokratisierung anschneidet: immer attestiert er dem Vorgehen
der anglo-amerikanischen Besatzungsmächte pauschal die Konformität
mit dem Potsdamer Abkommen, während er die Sowjetunion
ebenso undifferenziert bezichtigt, dieses Abkommen permanent gebrochen
zu haben, indem sie in ihrer Besatzungszone sozioökonomische
Transformationsprozesse und politische Entwicklungen einleitete
oder begünstigte, die eklatant dagegen verstießen (z. B. 123 f.,
131). Diese historiographische Version ist zu redundant, zu durchsichtig
und in der Beweisführung zu dürftig, als daß sie — zumal
beim gegenwärtigen Stand der zeitgeschichtlichen Erkenntnis — eine
akkurate und um Details bemühte Kritik verdiente. Gerade deshalb
stellt sich aber auch die Frage, warum es Deuerlein nicht bei seiner
1963 erschienenen Quellenedition „Potsdam 1945" hat bewenden lassen,
die weit umfassender und korrekter informiert als die vorliegende
Monographie.
Frank Niess (Heidelberg)
Deuerlein, Ernst: Deklamation oder Ersatzfrieden?
Die Konferenz von Potsdam 1945. Kohlhammer Verlag, Stuttgart
1970 (203 S., br., 14,80 DM).
Animiert durch die jahrelangen Kontroversen über das völkerrechtliche
und politische Gewicht des Potsdamer Abkommens, wendet
sich Deuerlein in der letzten seiner zahlreichen Untersuchungen
zum selben Komplex der Frage zu, ob es sich bei der ersten Nachkriegskonferenz
der „großen Drei" und ihren Beschlüssen nur um
unverbindliche Deklarationen oder aber um vorgezogene Friedensregelungen
handelt, die heute, da ein Friedensvertrag nie zustande
kam, völkerrechtliche Gültigkeit besitzen. Der Verfasser sikzziert die
konträren Positionen zur Frage der Rechtsverbindlichkeit des Potsdamer
Abkommens, die einerseits von den Westmächten und der
Bundesrepublik und andererseits von der Sowjetunion und der DDR
eingenommen wurden und resümiert, daß „eine rechtspositivistische
Auslegung der Bestimmungen des Potsdamer Abkommens" (27) allein
keine Basis für ein ausgewogenes Urteil sein kann. Da ihm das historische
„Verständnis der 1945 in Deutschland begonnenen Entwicklung"
Vorrang vor der formal juristischen Explikation zu haben
scheint, gilt seine Mühe dem Versuch, die Präliminarien und den
Ablauf der Potsdamer Konferenz so genau wie möglich zu rekonstruieren,
damit sich der Leser ein Bild von den Konfliktlagen der
frühen Nachkriegszeit machen kann, in denen der Streit um den
politischen Wert des Potsdamer Abkommens letztlich wurzelt. Einigermaßen
verblüfft jedoch muß dieser am Ende der Lektüre reklamieren,
daß die Studie so gut wie keine Antwort auf die Titelfrage
enthält.