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Klassenkämpfe in der BRD - Instituts für kritische Theorie (InkriT)

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470 Besprechungen<br />

Martens, Wolfgang: Die Botschaft <strong>der</strong> Tugend. Die Aufklärung<br />

im Spiegel <strong>der</strong> deutschen Moralischen Wochenschriften.<br />

J. B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 1968 (592 S., Ln.,<br />

68,— DM).<br />

Drei Gründe vor allem brachten den Moralischen Wochenschriften<br />

des frühen 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit e<strong>in</strong>e achtlos-undifferenzierte<br />

und im wesentlichen negative Beurteilung durch die<br />

Literaturkritik e<strong>in</strong>: 1. ihr offensichtlicher Mangel an formal-ästhetischen<br />

Kriterien, 2. die sche<strong>in</strong>bar ebenso offensichtliche Zweitrangigkeit,<br />

die ihnen von <strong>der</strong> Literaturtheorie ihrer Zeit zugedacht war,<br />

und 3. ihre unverhüllte — und dazu noch populärwissenschaftlichunorig<strong>in</strong>elle<br />

— Gesellschaftlichkeit, die <strong>der</strong> Formenspielerei ke<strong>in</strong>en<br />

Raum ließ, son<strong>der</strong>n das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Zweckmäßigkeit zum absolutum<br />

erhob. Man machte aus <strong>der</strong> „Abneigung, sich mit Gebrauchsliteratur<br />

ohne wesentlichen dichterischen Anspruch abzugeben" (4), ke<strong>in</strong>en<br />

Hehl, so daß lediglich <strong>in</strong> sehr begrenzten E<strong>in</strong>zelstudien o<strong>der</strong> <strong>in</strong> zeitungswissenschaftlichen<br />

Arbeiten Ansätze zu e<strong>in</strong>er ernsthaften Befassung<br />

mit <strong>der</strong> Wochenschriftgattung gemacht wurden.<br />

Wolfgang Martens, <strong>der</strong> se<strong>in</strong>e Arbeit ohne E<strong>in</strong>schränkung literarhistorisch<br />

verstanden wissen möchte, führt nicht nur die drei obigen<br />

Punkte ad absurdum, son<strong>der</strong>n eröffnet mit se<strong>in</strong>er umfassenden,<br />

historisch gründlichen Studie aus dem Blickw<strong>in</strong>kel populärwissenschaftlicher<br />

Literatur e<strong>in</strong>e Anzahl von folgenreichen Perspektiven auf<br />

die .offizielle' Literatur des frühen 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts. — In Zurückweisung<br />

des ersten Punktes etwa kann er auf die formale Geschlossenheit<br />

des E<strong>in</strong>zelstücks <strong>in</strong> <strong>der</strong> Moralischen Wochenschrift h<strong>in</strong>weisen,<br />

die sich <strong>in</strong> Titel und Inhalt, <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ungsweise, Umfang und Ansprechen<br />

des Lesers (d. h. <strong>in</strong> den „Vortragsformen") manifestiert,<br />

vor allem aber im Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> „fiktiven Verfasserschaft", das Martens<br />

zu Recht als dom<strong>in</strong>ierendes Gattungsmerkmal herausstellt und<br />

<strong>in</strong> all se<strong>in</strong>en Spielformen ergründet (29—84). Dieses Pr<strong>in</strong>zip weist,<br />

zusammen mit an<strong>der</strong>en (z. B. Verwendung f<strong>in</strong>gierter Briefe, zunehmende<br />

Literarisierung <strong>der</strong> Erzähltechnik), die Moralische Wochenschrift<br />

als „im Vorhof erzählen<strong>der</strong> Dichtung" (520) stehend aus, was<br />

angesichts etwa <strong>der</strong> späteren Briefliteratur (v. a. <strong>in</strong> <strong>der</strong> Form des<br />

Briefromans) von Interesse ist. So kann es auch nicht verwun<strong>der</strong>n,<br />

daß <strong>der</strong> „Rückgang" <strong>der</strong> Moralischen Wochenschriften, ihre formale<br />

Auflösung, „mit dem Vordr<strong>in</strong>gen des Romans zusammenzuhängen<br />

sche<strong>in</strong>t" (518).<br />

Vor allem aber weiß sich die Wochenschriftgattung völlig e<strong>in</strong>s mit<br />

den gesellschaftlichen Zielsetzungen <strong>der</strong> gesamten Lehrdichtung des<br />

frühen 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts. Das spätbarocke Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Poesie als e<strong>in</strong>er<br />

„eloquentia ligata" (Morhof), als e<strong>in</strong>er „Diener<strong>in</strong> <strong>der</strong> Beredsamkeit"<br />

(Weise) ist hier nicht mehr auf e<strong>in</strong>en sprachlich-technischen Natürlichkeitsbegriff<br />

zugeschnitten, son<strong>der</strong>n ergibt sich aus <strong>der</strong> H<strong>in</strong>wendung<br />

zu e<strong>in</strong>em <strong>in</strong> Wahrheit soziopolitischen, aber ethisch-pragmatisch<br />

formulierten, klassengebundenen Gesellschaftsideal. Vor allem<br />

im Verhältnis <strong>der</strong> Wochenschriften zum Drama wird das deutlich, <strong>in</strong>

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