Klassenkämpfe in der BRD - Instituts für kritische Theorie (InkriT)

408 Kurt Steinhaus
isoliert voneinander kämpfen. Und damit ginge gerade der Hauptvorteil
des Tarifkampfes auf Bezirks-Ebene verloren — die Nutzung
der besonders günstigen Bedingungen eines Bezirks auch für diejenigen
Regionen, in denen die Bedingungen weniger günstig sind. Ein
Beispiel: Obwohl sich im Februar 1974 nach dem 14 %>-Schiedsspruch
im Unterwesergebiet für die IG Metall die Möglichkeit abzeichnete,
deutlich oberhalb der von der ÖTV durchgesetzten 11 %>-
Marke abzuschließen, ging die Mehrheit der Tarifbezirke auf 11,33 °/o
ein. Bei einer konsequenten Ausnutzung der günstigen Bremer Situation
wäre das dort im März mit Hilfe eines Streiks durchgesetzte
Ergebnis von 12,25 °/o wahrscheinlich überall und nicht nur in einer
Minderheit der Tarifbezirke durchsetzbar gewesen. Voraussetzung
hierfür wäre eine gewisse zentrale Koordination der regionalen
Tarifverhandlungen gewesen — und natürlich der eindeutige Wille,
den günstigsten regionalen Abschluß zentral (d. h. für alle Bezirke)
nachzuvollziehen.
Eine Gewerkschaft, die die Hauptrichtung ihrer Politik nach dem
Klassencharakter ihrer Organisation bestimmt, wird diese taktischen
Probleme ohne weiteres lösen können. Dies gilt um so mehr, als die
gewerkschaftlich organisierten Arbeiter und Angestellten selbst zunehmend
auf eine kämpferische Vertretung ihrer Klasseninteressen
drängen. Die Streikkämpfe der jüngsten Zeit sind hierfür ein deutlicher
Beweis. Die Einschätzung von 1970 ist in dieser Hinsicht zu
bestärken: wenn die Kämpfe „eins gezeigt haben, so dies: eine
Überwindimg von ökonomischen Krisen auf Kosten der Arbeiterklasse
wird auch in Zukunft auf deren Widerstand stoßen" 17 . Und
bei der Organisation dieses Widerstandes werden die Gewerkschaften
eine bedeutende Rolle zu spielen haben.
17 Ebd., S. 909.