Klassenkämpfe in der BRD - Instituts für kritische Theorie (InkriT)

Sprach- und Literaturwissenschaft 475
darauf, Lorenz Stein und die nach zwei neuen Editionen zitierten
„frühsozialistischen" Programme einige Auskunft über französische
Zustände geben zu lassen. Übrigens führt Kreutzer, um auszuweisen,
gegen welches in der Konsequenz kunstfeindliche babouvistische
Programm Heine argumentiert, einen Satz aus dem „Manifest der
Gleichen" des S. Maréchal an: „Mögen, wenn es sein muß, alle Künste
untergehen, wenn uns nur die wirkliche Gleichheit bleibt." (17) Das
Manifest ist nicht publiziert worden; eben dieser Satz wurde vom
Direktorium mißbilligt.
„Voltaire — Robespierre, und hinter diesem Rousseau", schreibt
Kreutzer: „alle politischen und literarischen Fehden, in die der ,Revolutionsmann'
Heine während der dreißiger und vierziger Jahre, ja
bis zu seinem Lebensende 1856, verwickelt wurde, hängen mit diesem
Gegensatz zusammen" (24), kurz: „Mit den Widersprüchen seines
Verhältnisses zum Kommunismus transportiert" Heine allererst „Widersprüche
der europäischen Aufklärung des 18. Jahrhunderts" (28).
— Was Kreutzer vorbringt, bedarf der Ergänzung: Heines frühe
Kommunismuskritik ist durchaus Kritik mit Rücksicht auch auf Hegel,
besonders auf die Rechtsphilosophie, wie auf die bürgerliche Gesellschaft,
deren Theorie sie ist. In den Lutetia-Berichten wird, nach
Hinweisen (z. B. Februar 1841, Juni 1843), genau dies expliziert unter
dem Titel „Gefängnisreform und Strafgesetzgebung": „Für den modernen
Standpunkt, wie wir ihn bei Hegel finden, ist jedoch unser
sozialer Zustand noch zu niedrig." Im Blick auf die nachrevolutionäre
bürgerliche Gesellschaft als auf eine antagonistische im Zeichen ihrer
notwendigen Aufhebung (Lutetia, 20. Juni 1842) kritisiert Heine sowohl
Hegel als auch, noch von diesem her, den Gleichheitskommunismus.
Wer Heines politische Kritik, im Rückgriff auf „die französischen
Zustände", auf aufklärerische Ideologie verpflichtet, vergißt,
daß und wie Heine Gesellschaft, wenn auch nur in selbst noch problematischer
Reflexion auf ihre Verkehrsformen, in insistierender Erörterung
der Rolle des Geldes, zu kritisieren sucht (vgl. Französische
Zustände VI, Beilage zu VI).
Für die Mitte der vierziger Jahre behauptet Kreutzers These ein
Einverständnis von Heine und Marx, allerdings ein Einverständnis
durch Mißverständnis: Heine habe sich nur „einiggeglaubt mit den
neuen Führern des Proletariats" (35). Kreutzer konstatiert eine „Verwechslung":
Heine habe die „Anfänge des philosophisch an Hegel
anknüpfenden wissenschaftlichen Sozialismus" verwechselt „mit seinem
sensualistisch-saint-simonistischen Gleichheitsprogramm aus
den frühen dreißiger Jahren" (34). Er geht aber, gemäß seiner These
vom Einverständnis durch Mißverständnis, den Bedingungen, die
ein Einverständnis von Heine und Marx überhaupt ermöglichen,
nicht sehr weit nach.
Die These von Heines rekapitulierter Babouvismus-Kritik setzt
sich Fragen aus, zu deren plausibler Entscheidung Kreutzers Argumentation
selbst nicht mehr hilft. Heines alte Auseinandersetzung
wird unvermittelt zur ganz neuen: „In Wirklichkeit ist Heines Kritik
am Babouvismus" meint Kreutzer, „aktuell geblieben", sie hat „an