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Klassenkämpfe in der BRD - Instituts für kritische Theorie (InkriT)

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Geschichte 489<br />

gration beflügelt, die Bosl im wesentlichen aus dem „angstvollen Bewußtse<strong>in</strong>"<br />

des „freien Europas" angesichts des „Verlustes <strong>der</strong> Selbstbestimmung"<br />

(269) <strong>der</strong> ostmitteleuropäischen Völker deduziert. Daß<br />

dieser Impetus nicht <strong>in</strong> die politische E<strong>in</strong>igung Europas mündete, sieht<br />

Bosl zwei Faktoren geschuldet, die die Basis se<strong>in</strong>es historischen Erkenntnis<strong>in</strong>teresses<br />

bilden und mith<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wahl se<strong>in</strong>es Gegenstandes<br />

und den Ergebnissen se<strong>in</strong>er Untersuchungen sich nie<strong>der</strong>schlagen.<br />

Zum e<strong>in</strong>en gefährde die Entwicklung von Beziehungen friedlicher Koexistenz<br />

zwischen europäischen Staaten unterschiedlicher Gesellschaftsordnung<br />

die europäische Integration, da mit dem Nachlassen<br />

des „Drucks Rußlands auf den Westen nach dem Tode Stal<strong>in</strong>s 1953"<br />

(285) wie<strong>der</strong> „nationalstaatlicher Egoismus" bei den westeuropäischen<br />

Staaten aufgelebt sei. Hieraus folgt <strong>für</strong> Bosl e<strong>in</strong> verhaltener Skeptizismus<br />

h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> politischen E<strong>in</strong>igung Westeuropas, dem er<br />

durch den historischen Rekurs auf die kulturellen Grundwerte Europas<br />

zu begegnen sucht. E<strong>in</strong> zweites Moment, das E<strong>in</strong>fluß auf Bosls<br />

historisch-politische Konzeption ausübt, liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stärke und Geschlossenheit<br />

<strong>der</strong> sozialistischen Staatengeme<strong>in</strong>schaft begründet, die<br />

e<strong>in</strong>e ,gesamteuropäische Integration auf absehbare Zeit verunmögliche.<br />

Bosls Antwort f<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung nach „friedlichem<br />

Ausgleich berechtigter und verschiedener Ideen" (255) zwischen West<br />

und Ost. ,Ideologischer Konvergenz' sucht er dadurch den Boden zu<br />

bereiten, daß er — unter Abstraktion von allen (antagonistischen) gesellschaftlichen<br />

Verhältnissen — auf e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche „europäische<br />

Vökergeme<strong>in</strong>schaft" orientiert, <strong>der</strong> Germanen, Romanen und Slawen<br />

gleichermaßen zugehören (215).<br />

Die Aufsatzsammlung zerfällt diesem Ansatz entsprechend und<br />

übertragen auf die mittelalterliche Geschichte <strong>in</strong> zwei ungleichgewichtige<br />

Teile. E<strong>in</strong>e größere Anzahl von Aufsätzen ist Problemen des sozialen<br />

Wandels vor allem westeuropäischer Gesellschaften gewidmet,<br />

während e<strong>in</strong> zweiter Komplex sich mit dem Verhältnis von Germanen<br />

und Slawen beschäftigt. Ausgehend von dem u. a. an M. Weber<br />

und K. Mannheim orientierten Begriffsapparat <strong>der</strong> ,Strukturgeschichte'<br />

ist ,Mobilität' <strong>der</strong> Schlüssel zur Analyse <strong>der</strong> westeuropäischen<br />

Gesellschaften. Diese Analyse vermag jedoch über e<strong>in</strong>e relativistische<br />

Beschreibung des steten Wandels <strong>der</strong> Sozialstruktur nicht<br />

h<strong>in</strong>auszugelangen. So positiv auch die verstärkte H<strong>in</strong>wendung zur<br />

sozialwissenschaftlichen Analyse mittelalterlicher Gesellschaft zu bewerten<br />

ist, mit <strong>der</strong> sich Bosl vom traditionellen Historismus abgrenzt,<br />

kann jedoch we<strong>der</strong> die Brüchigkeit dieses Ansatzes noch se<strong>in</strong> bürgerlich-ideologischer<br />

Gehalt übersehen werden. H<strong>in</strong>ter dem steten Wandel<br />

dom<strong>in</strong>ieren „wesenskonstitutive, fast unwandelbare Grundelemente"<br />

(14). Kann noch zu Anfang des Buches <strong>der</strong> E<strong>in</strong>druck entstehen,<br />

daß unterschiedliche Kultur- und Gesellschaftsformen Gegenstände<br />

<strong>der</strong> Periodisierung des europäischen Mittelalters bilden, so wird man<br />

im zweiten Kapitel e<strong>in</strong>es besseren belehrt: „Das Menschse<strong>in</strong> besteht<br />

aus Konstanten und Variablen; die ersteren muß man erkennen, die<br />

letzteren aufspüren, da sie die Differenzierung, die Epochen <strong>der</strong><br />

Menschheitsgeschichte ergeben" (31). Von diesem Ansatz drängt sich

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