Klassenkämpfe in der BRD - Instituts für kritische Theorie (InkriT)
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416 Björn Pätzoldt<br />
Seit Anfang <strong>der</strong> sechziger Jahre hat denn auch die <strong>BRD</strong> aus dem<br />
Überangebot an Arbeitskräften <strong>in</strong> den europäischen Mittelmeerlän<strong>der</strong>n<br />
reichhaltig geschöpft.<br />
Nachdem die Zahl <strong>der</strong> ausländischen Arbeiter <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>BRD</strong> und<br />
Westberl<strong>in</strong> die 1/2-Millionengrenze überschritt 28 , entwarf die Bundesregierung<br />
1962 zunächst e<strong>in</strong> „Gesetz über den Aufenthalt <strong>der</strong><br />
Auslän<strong>der</strong>" 29 , das nach mehr als zweijähriger Beratung <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>schlägigen<br />
Bundestagsausschüssen und im Bundesrat zu e<strong>in</strong>em umfassenden<br />
Auslän<strong>der</strong>gesetz geriet. E<strong>in</strong>en Monat vor se<strong>in</strong>er Verabschiedung,<br />
im März 1965, hatte die Auslän<strong>der</strong>beschäftigung die Millionengrenze<br />
überschritten 80 .<br />
Die Verabschiedung des Auslän<strong>der</strong>gesetzes fand also statt <strong>in</strong> zeitlicher<br />
Kongruenz mit e<strong>in</strong>er quantitativen Entwicklung <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>beschäftigung,<br />
die mittels hoheitlicher E<strong>in</strong>griffsmöglichkeiten<br />
staatlicher Kontrolle unterliegt. Bezeichnend ist, daß diese durch<br />
das Auslän<strong>der</strong>gesetz legalisierten staatlichen E<strong>in</strong>griffsmöglichkeiten<br />
<strong>in</strong> Diktion und Inhalt nicht selten den Bestimmungen <strong>der</strong> e<strong>in</strong>schlägigen<br />
nationalsozialistischen Verordnungen entsprechen S1 .<br />
Waren nach <strong>der</strong> APVO von 1938 „wichtige Belange des Reichs o<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> Volksgeme<strong>in</strong>schaft" (§ 5) und nach <strong>der</strong> KVO von 1939 „öffentliche<br />
Belange" (§ 5) Maßstab <strong>der</strong> Behandlung von Auslän<strong>der</strong>n durch die<br />
zuständigen Verwaltungsbehörden, so dienen gemäß AuslG von 1965<br />
den westdeutschen Auslän<strong>der</strong>behörden „Belange <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />
Deutschland" (§ 2) bzw. „erhebliche Belange" (§§ 6 und 10) als Richtschnur<br />
ihrer Auslän<strong>der</strong>politik. S<strong>in</strong>d diese Grundsätze durch den Auslän<strong>der</strong><br />
verletzt o<strong>der</strong> ersche<strong>in</strong>en sie bei Anwesenheit des Auslän<strong>der</strong>s<br />
gefährdet S2 , dann wird ihm ke<strong>in</strong>e Aufenthaltserlaubnis erteilt bzw.<br />
er wird ausgewiesen.<br />
Zur Def<strong>in</strong>ition dieser Grundsätze heißt es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>en<br />
Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des Auslän<strong>der</strong>gesetzes<br />
(AuslGVwv): „Als erhebliche Belange <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland<br />
s<strong>in</strong>d beson<strong>der</strong>s ihre <strong>in</strong>nere und äußere Sicherheit, die öffentliche<br />
Ordnung, die Sicherung wichtiger gesamtwirtschaftlicher Interessen<br />
und die Beziehung zum Ausland anzusehen" (Nr. 15 Satz 2 zu § 10).<br />
Gemäß § 6 (2) AuslG kann die „politische Betätigimg von Auslän<strong>der</strong>n<br />
... e<strong>in</strong>geschränkt o<strong>der</strong> untersagt werden, wenn die Abwehr von<br />
Störungen <strong>der</strong> öffentlichen Sicherheit o<strong>der</strong> Ordnung o<strong>der</strong> von Bee<strong>in</strong>trächtigungen<br />
<strong>der</strong> politischen Willensbildung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />
Deutschland o<strong>der</strong> sonstige erhebliche Belange <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />
Deutschland es erfor<strong>der</strong>n". Betroffen hiervon ist <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong><br />
ausländische Arbeiter: „Störung <strong>der</strong> öffentlichen Ordnung ist bei-<br />
28 Vgl. Amtliche Nachrichten <strong>der</strong> Bundesanstalt <strong>für</strong> Arbeit (ANBA),<br />
September 1962: 711 459 (3,2 °/o) beschäftigte ausländische Arbeiter.<br />
29 BT-Drucksache IV/868 vom 28. 12. 1962.<br />
30 ANBA März 1965: 1 061 809 (5,1 %>).<br />
31 Vgl. hierzu: Fritz Franz, Rückfall <strong>in</strong> den Polizeistaat, <strong>in</strong>: Studentische<br />
Politik, Heft 1/1970, S. 27.<br />
32 Vgl.: Zu § 2 Nr. 4 Satz 5 AuslGVwv.