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Klassenkämpfe in der BRD - Instituts für kritische Theorie (InkriT)

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364 Kurt Ste<strong>in</strong>haus<br />

Mitte Februar 1971 wurden von <strong>der</strong> IG Chemie fristgerecht zum<br />

31. 3. <strong>in</strong> den Bezirken Nordrhe<strong>in</strong>, Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz und Hessen die<br />

Tarifverträge gekündigt. In diesen drei Bezirken s<strong>in</strong>d mit 407 000<br />

Arbeitern und Angestellten rund 60 °/o aller Beschäftigten <strong>der</strong> chemischen<br />

Industrie <strong>der</strong> <strong>BRD</strong> konzentriert. Es wurden 11 % mehr<br />

Lohn und Gehalt sowie e<strong>in</strong> tariflich abgesichertes 13. Monatse<strong>in</strong>kommen<br />

gefor<strong>der</strong>t. In Hessen war <strong>für</strong> die Löhne und <strong>für</strong> die unteren Gehaltsgruppen<br />

e<strong>in</strong>e l<strong>in</strong>eare For<strong>der</strong>ung von 120 DM, <strong>für</strong> die oberen<br />

Gehaltsgruppen e<strong>in</strong>e For<strong>der</strong>ung von 11 °/o aufgestellt worden, um die<br />

zunehmenden Lohndifferenzen e<strong>in</strong>zudämmen. Die Unternehmer<br />

zögerten zunächst die Unterbreitung e<strong>in</strong>es Angebots h<strong>in</strong>aus, um dann<br />

schließlich Ende April e<strong>in</strong>e 5°/oige Erhöhung <strong>der</strong> Löhne und Gehälter<br />

vorzuschlagen — angesichts e<strong>in</strong>er jährlichen Geldentwertungsrate<br />

von 6,5 °/o e<strong>in</strong>e offensichtliche Provokation. Mit ihrer starren Haltung<br />

gelang es den Unternehmern jedoch, die e<strong>in</strong>heitliche Front <strong>der</strong><br />

Gewerkschaft aufzubrechen: Ende Mai stimmte die IG Chemie <strong>in</strong><br />

Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz e<strong>in</strong>em Abschluß von 7,8 % bei 10 Monaten Laufzeit<br />

zu. Da <strong>für</strong> die Monate April und Mai aber ke<strong>in</strong>e Lohn- und Gehaltserhöhungen<br />

vere<strong>in</strong>bart worden waren, lag dieser Abschluß faktisch<br />

bei 6,5 °/o — und damit noch unter den unzureichenden Lohnleitl<strong>in</strong>ien<br />

<strong>der</strong> Bundesregierung. Auch die stufenweise E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es<br />

tariflich abgesicherten 13. Monatse<strong>in</strong>kommens ab 1972 lag deutlich<br />

unter den Ausgangsfor<strong>der</strong>ungen und bedeutete <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel ke<strong>in</strong>e<br />

höheren Effektive<strong>in</strong>kommen. Die Unternehmer konnten also mit<br />

dem Verlauf <strong>der</strong> ersten Phase <strong>der</strong> Tarifrunde durchaus zufrieden<br />

se<strong>in</strong>. — Die zweite Phase begann am 2. 6. mit dem Scheitern <strong>der</strong><br />

Bundesschlichtung im Bezirk Nordrhe<strong>in</strong>. Kampfmaßnahmen <strong>der</strong><br />

Chemiearbeiter waren jetzt ohne weitere Verzögerung möglich, da<br />

nach <strong>der</strong> Satzung <strong>der</strong> IG Chemie Streiks auch im sog. aktiven vertragslosen<br />

Zustand (d. h. nach Auslaufen <strong>der</strong> Tarifverträge und nach<br />

Scheitern <strong>der</strong> Landes- und Bundesschlichtung) ohne Urabstimmung<br />

vom Hauptvorstand ausgerufen und von betrieblichen Streikleitungen<br />

geführt werden können. Und noch am 2. 6. legte <strong>in</strong> Köln die<br />

Belegschaft <strong>der</strong> Gummiwerke Clouth die Arbeit nie<strong>der</strong>. An den folgenden<br />

Tagen weitete sich die Bewegung im Bezirk Nordrhe<strong>in</strong><br />

schnell aus. —<br />

Mit dem Scheitern <strong>der</strong> Bundesschlichtung <strong>in</strong> Hessen begann die<br />

dritte Phase <strong>der</strong> Lohnrunde. Hier traten am 14. 6. die Belegschaften<br />

von vier Betrieben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Vollstreik. An<strong>der</strong>e Betriebe folgten <strong>in</strong><br />

den Tagen darauf mit mehr o<strong>der</strong> weniger umfangreichen Warn- und<br />

Teilstreiks. Jetzt wurde <strong>in</strong> zwei Bezirken gestreikt. Am 14. 6. gab es<br />

anläßlich e<strong>in</strong>es Aktionstages alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> Nordrhe<strong>in</strong> 19 000 Streikende <strong>in</strong><br />

38 Betrieben. Zwei Tage später fand <strong>in</strong> Köln e<strong>in</strong>e Großkundgebung<br />

<strong>der</strong> IG Chemie mit 10 000 Teilnehmern statt. In Hessen protestierten<br />

am gleichen Tag 16 000 Arbeiter und Angestellte. Hierbei kam es<br />

nach fast e<strong>in</strong>em halben Jahrhun<strong>der</strong>t erstmalig auch bei den Farbwerken<br />

Hoechst zu e<strong>in</strong>em Streik. 4000 Beschäftigte legten kurzfristig<br />

die Arbeit nie<strong>der</strong> und marschierten durch Hoechst. In neun Betrieben<br />

befanden sich 8500 Arbeiter und Angestellte im Vollstreik. Am

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