Klassenkämpfe in der BRD - Instituts für kritische Theorie (InkriT)
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Wie kann sich das Subjekt literarisch entfalten? 437<br />
Mangel e<strong>in</strong>es theoretischen Ansatzes <strong>für</strong> Pädagogik überhaupt vor:<br />
eben das Fehlen e<strong>in</strong>er „<strong>Theorie</strong> des Subjekts".<br />
E<strong>in</strong>e solche E<strong>in</strong>schätzung des „Abrisses" sche<strong>in</strong>t mir nur mit e<strong>in</strong>er<br />
ganz bestimmten Auffassung von diesem Subjekt zu erklären zu se<strong>in</strong>.<br />
Obwohl Lenzen von ihm, <strong>in</strong>dem er sich davorstellt, nur Konturen<br />
freigibt, ist doch erkennbar, daß hier primär bei geistigen und v. a.<br />
psychischen Eigenschaften, aber nicht so sehr beim gegenständlich<br />
tätigen, gesellschaftlichen Menschen angesetzt wird. So kann dann<br />
übersehen werden, daß <strong>der</strong> historisch-materialistischen Analyse<br />
objektiver Bed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>e <strong>Theorie</strong> des Subjekts <strong>in</strong>häriert und<br />
nicht erst addiert werden muß, <strong>in</strong>sofern sie z. B. Produktionsverhältnisse<br />
als „menschliche Beziehungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> materiellen Produktion"<br />
(208) erkennt. Lenzens Kritik sche<strong>in</strong>t noch von e<strong>in</strong>er Denkweise<br />
affiziert, welche den gedoppelten Sachverhalt, daß ebenso, wie die<br />
Gesellschaft den Menschen als Menschen produziert, sie durch ihn<br />
produziert ist, o<strong>der</strong>, umgekehrt gesagt, <strong>der</strong> Mensch, so sehr er besondres<br />
Individuum ist, ebensosehr das subjektive Dase<strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
ist 3a , <strong>in</strong> zwei entgegengesetzte Pole zerschlägt. Das würde auch<br />
erklären, warum die Feststellung, bei Liebe und Naturliebe handle<br />
es sich nicht nur um „<strong>in</strong>nere Gefühle" (221), als „Abkanzelung" <strong>in</strong>nerer<br />
Gefühle statt als Kritik an Auffassungen verstanden wird, welche<br />
Ursachen und Ziele von Gefühlen verdunkeln und damit <strong>der</strong>en aktive<br />
Verwirklichung nicht als Bed<strong>in</strong>gung ihrer Entfaltung begreifen können<br />
4 .<br />
Wo Individuum und Gesellschaft aber <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em solchen zum<strong>in</strong>dest<br />
latenten Dualismus gesehen werden, muß auch die literaturpädagogische<br />
Programmatik problematisch werden. Der Vorwurf des<br />
„H<strong>in</strong>starrens" auf materielle Bed<strong>in</strong>gungen wäre gewiß e<strong>in</strong>er Haltung<br />
gegenüber gerechtfertigt, welche diese Bed<strong>in</strong>gungen als etwas Wi<strong>der</strong>spruchsloses,<br />
m<strong>in</strong>destens zur Zeit nicht Än<strong>der</strong>bares ansähe o<strong>der</strong>,<br />
ökonomistisch, pädagogische Arbeit generell ger<strong>in</strong>gschätzte. Er kann<br />
aber wohl nicht gegen e<strong>in</strong>en H<strong>in</strong>weis auf Handlungsvoraussetzungen<br />
<strong>in</strong>s Feld geführt werden, <strong>der</strong> lediglich die Bedeutung sich ja ständig<br />
vollziehen<strong>der</strong> E<strong>in</strong>zelverän<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong>terpretiert und sie als Resultat<br />
und mitwirkendes Moment e<strong>in</strong>er umfassen<strong>der</strong>en Entwicklung versteht.<br />
Feststellungen wie die aber, daß „zu wirklich umwälzenden,<br />
orig<strong>in</strong>alen Leistungen objektive Bed<strong>in</strong>gungen vorhanden se<strong>in</strong> müs-<br />
3a Cf. Karl Marx, MEW Ergänzungsband I, S. 539.<br />
4 Beson<strong>der</strong>s merkwürdig äußert sich diese Denkweise, wenn Lenzen<br />
schreibt, „die Feststellung, daß Produktion und Konsumtion .primär übers<br />
Profitpr<strong>in</strong>zip vermittelt s<strong>in</strong>d' (217), entb<strong>in</strong>det nicht von <strong>der</strong> Frage nach<br />
ihrem sekundären Innenleben ...": gerade das Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>tse<strong>in</strong> von Leserbedürfnissen<br />
usw. durch jenes Pr<strong>in</strong>zip stand <strong>in</strong> jener Passage zur Debatte.<br />
Nicht ist <strong>der</strong> politisch-ökonomischen Fragestellung e<strong>in</strong>e sekundäre nach<br />
dem „Innenleben" h<strong>in</strong>zuzufügen, son<strong>der</strong>n zu sehen, daß das Profitsystem<br />
durch se<strong>in</strong>e Produktions- und Austauschweise und die dar<strong>in</strong> hergestellten<br />
und kursierenden Gebrauchswerte e<strong>in</strong>e bestimmte Art von menschlichen<br />
Beziehungen und damit auch von menschlichem Innenleben produziert.