Klassenkämpfe in der BRD - Instituts für kritische Theorie (InkriT)

Streikkämpfe iri der BRD 1971 bis 1974 385
ßerstande, die Einheit der Belegschaft herzustellen bzw. aufrechtzuerhalten.
Zu einer geschlossenen und disziplinierten Organisation
des Kampfes waren sie aufgrund ihrer fehlenden Autorität und ihrer
falschen politischen Orientierung nicht imstande. Infolgedessen waren
diese Streiks — was den Verlauf und das Ergebnis betrifft —
mit wesentlich mehr negativen Merkmalen behaftet als die Streiks
bei Hella und Pierburg. — Eine wesentliche — freilich keineswegs
neue — Erfahrimg der Sommer-Streiks 1973 ist die, daß das Propagieren
antigewerkschaftlicher, linksopportunistischer Losungen nur
den Konzernen, den reaktionären Massenmedien, der Polizei in die
Hände arbeitet, indem sie die Durchführung von Hetzkampagnen,
Repressalien und Terroraktionen gegen die Arbeiterklasse begünstigen.
Überwiegend aus Studenten und Intellektuellen zusammengesetzt
und ohne reale Verbindung zur Arbeiterklasse haben die
ultralinken Gruppen — wie revolutionär die subjektiven Intentionen
ihrer Anhänger auch sein mögen — objektiv im wesentlichen
konterrevolutionäre Funktionen.
Der Nachhall der Sommer-Streiks 1973 in anderen Bereichen und
Regionen
Die sommerlichen Streiks für Teuerungszulagen, die sich auf die
metallverarbeitende Industrie Nordrhein-Westfalens konzentriert
hatten, blieben in anderen Wirtschaftsbereichen und Regionen nicht
ohne Nachhall. Wichtig in diesem Zusammenhang sind vor allem die
Streiks der saarländischen Stahl- und Bergarbeiter sowie die Auseinandersetzungen
um die Zahlung eines vollen 13. Monatsgehalts
im öffentlichen Dienst: Im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern
war es im Saarland bis zum September 1973 zu keiner nennenswerten
Streikbewegung für die Durchsetzung von Teuerungszulagen
gekommen. Erst im Oktober entfaltete sich hier die Bewegung,
die in anderen Regionen der Bundesrepublik bereits im Sommer
oder vorher abgelaufen waren. Schwerpunkt dieser Bewegung
war zunächst die Stahlindustrie. Die Stahlindustrie des Saarlandes
konzentriert sich auf vier Werke: die Neunkircher Eisenwerke, die
Völklinger und die Burbacher Hütte (beide Hütten sind im Rahmen
eines Konzerns vereinigt) sowie die Dillinger Hütte. Der Streik der
saarländischen Stahlarbeiter nahm in den Neunkircher Eisenwerken
seinen Anfang, wo auch bereits bei den Septemberstreiks 1969 der
Schwerpunkt der Kämpfe gelegen hatte. Aufgrund der Teuerung
und einer schlechten innerbetrieblichen Situation hatte sich hier eine
Forderung nach 50 Pfennig mehr pro Stunde herausgebildet, die dann
vom Betriebsrat in die Forderung nach Weiterzahlung der (im Mai
für Juni bis September vereinbarten) monatlichen Zulage von 70 DM
über den September hinaus umformuliert wurde. Dem Streik der
Neunkircher Eisenwerke schlössen sich noch am gleichen Tag und am
Tag darauf verschiedene Abteilungen der Burbacher und der Völklinger
Hütte an, während weitere Bereiche dieser beiden Hütten
ultimative Forderungen stellten. Daraufhin wurde die Forderung
bewilligt, und zwar im Endergebnis für alle vier saarländischen