Klassenkämpfe in der BRD - Instituts für kritische Theorie (InkriT)

Streikkämpfe iri der BRD 1971 bis 1974 357
der Bundeswehr, für die Aufrechterhaltung der Montanmitbestimmung.
Der längste Streik (fast vier Monate Dauer) wurde 1956/57
von den schleswig-holsteinischen Metallarbeitern vor allem für die
Lohnfortzahlung im Krankheitsfall geführt. In der Période 1959—65
gab es demgegenüber nur einen großen Streik, den Lohnstreik der
Metallarbeiter in Baden-Württemberg 1963, auf den der Löwenanteil
der ausgefallenen Arbeitsstunden dieser Periode entfiel. In den
Jahren 1959, 1960, 1961, 1964 und 1965 wurde so gut wie gar nicht
gestreikt. Mit Beginn der zweiten Hälfte der sechziger Jahre änderte
sich jedoch die Situation erneut. Sowohl die Zahl der ausgefallenen
Arbeitsstunden als auch der Streikenden und Ausgesperrten erreichte
wieder den Stand der fünfziger Jahre. Diese erneute Verschärfung
des Klassenkampfes, die für die meisten Beobachter völlig
überraschend kam, markiert eine neue Etappe in der Entwicklung
der BRD und enthält zahlreiche neue Momente.
Die Kämpfe bis zum Jahre 1970 einschließlich wurden in der gleichen
Zeitschrift bereits dargestellt und beurteilt 2 . Damit die jüngste
Entwicklung aber nicht losgelöst von den unmittelbar vorangegangenen
Ereignissen erscheint, wird im folgenden zunächst nochmals
eine knappe Übersicht auch über die Streiks vor 1971 gegeben.
1. Rezession und betriebliche Abwehraktionen 1966—68
Die Intensivierung der Streikbewegung fiel zusammen mit der
Rezession von 1966/67, die auf einen großen Teil der westdeutschen
Arbeiterklasse wie ein Schock wirkte. Zwischen August 1966 und
März 1967 ging in der BRD beispielsweise die Zahl der Metallarbeiter
um 7,8 °/o zurück. Die offizielle Arbeitslosenquote im Metallbereich
erreichte 3,1 °/o, bei Einbeziehung der aufgrund der Rezession
in ihre Heimatländer zurückgekehrten ausländischen Metallarbeiter
wären es 6% gewesen. Von Kurzarbeit waren im Februar
1967 offiziell 7,7 °/o betroffen, in Wirklichkeit über 15 °/o. Gegen diese
und weitere Folgen der Wirtschaftskrise 3 richteten sich 1966 und
1967 zahlreiche betriebliche Abwehrstreiks.
Zu den ersten und wichtigsten betrieblichen Abwehrstreiks dieser
Periode gehörten die Arbeitsniederlegungen der Belegschaften der
Roland-Offsetmaschinenfabrik Faber und Schleicher in Offenbach
(November 1966) und der Hanomag-Werke in Hannover (April/Mai
1967) 4 . Produktion und Absatz beider Betriebe waren durch die Re-
2 Vgl. H. Jung, F. Schuster, K. Steinhaus, Kampfaktionen der westdeutschen
Arbeiterklasse 1966—1970, in: Das Argument Nr. 62/1970,
S. 873 ff.
3 Hierzu vgl. vor allem die 1967 vom Vorstand der IG Metall herausgegebenen
beiden „Weissbücher zur Unternehmermoral".
4 Zur Bewegung 1966—68 vgl. H. Jung, Analyse des Abwehrkampfes
einer Betriebsbelegschaft, in: Marxistische Blätter, Nr. 1/1967, S. 57 ff.;
ders., Die betrieblichen Abwehraktionen der Belegschaften 1967/68, in:
Marxistische Blätter, Nr. 4/1968, S. 14ff.; ders., Der hessische Gummiarbeiterstreik
und der Kampf der Gummiarbeiter Fuldas, in: Marxistische
Blätter, Nr. 1/1968, S. 32 ff.