Klassenkämpfe in der BRD - Instituts für kritische Theorie (InkriT)
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508 Besprechungen<br />
Huf nach Sozialisierung (als notwendige und logische Konsequenz<br />
aus den Erfahrungen mit dem NS) laut, so verwies man auf die „Tatsache",<br />
daß die Unternehmer nicht Nutznießer, son<strong>der</strong>n — wie an<strong>der</strong>e<br />
Gesellschaftsgruppen — ihrerseits Opfer des Faschismus gewesen<br />
seien. E<strong>in</strong>e freie Unternehmerschaft sei, so lautete das Argument,<br />
e<strong>in</strong> Bollwerk gegen Faschismus <strong>in</strong> Vergangenheit und Zukunft. Die<br />
For<strong>der</strong>ung nach Säuberung <strong>der</strong> Beamtenschaft (die die SPD <strong>in</strong><br />
„ihren" Län<strong>der</strong>n nicht e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> <strong>der</strong> theoretischen Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />
geltend zu machen gewillt war, so daß sie die faschisierten Beamten<br />
ohne konsequente Kritik übernahm) wurde ebenso zurückgewiesen<br />
wie die For<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Autonomie <strong>der</strong> Hochschule (<strong>in</strong> H<strong>in</strong>blick<br />
auf die Gruppen, die sich durch ihre beson<strong>der</strong>e Nähe zum NS<br />
ausgezeichnet hatten); die fadensche<strong>in</strong>ige Begründung <strong>in</strong> beiden<br />
Fällen g<strong>in</strong>g dah<strong>in</strong>, daß gerade die Abhängigkeit <strong>der</strong> Beamten und das<br />
Fehlen <strong>der</strong> Hochschulautonomie beson<strong>der</strong>s beklagenswerte Zustände<br />
im Dritten Reich hervorgebracht hätten. Dank systematischer Verwechselung<br />
von Ursache und Wirkung wurde damit auf Seiten <strong>der</strong><br />
Rechten jede Neuorientierung verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t. H<strong>in</strong>zu kam die <strong>in</strong>ternationale<br />
Entwicklung, die <strong>der</strong> Argumentation <strong>der</strong> Rechten ständig<br />
größere Macht und E<strong>in</strong>fluß ermöglichte. Sozialisierung von Grundstoff<strong>in</strong>dustrien<br />
wurde den Landesvertretungen entwe<strong>der</strong> mit dem<br />
H<strong>in</strong>weis auf die von den Alliierten bereits durchgeführten Entflechtungen<br />
o<strong>der</strong> mit dem Argument untersagt, „daß die Frage <strong>der</strong> Sozialisierung<br />
<strong>der</strong> Kohlen<strong>in</strong>dustrie von e<strong>in</strong>er deutschen Regierung nicht<br />
von e<strong>in</strong>er Landesregierung behandelt werden sollten." (118) Die<br />
„Präjudizierung durch Verbot <strong>der</strong> Präjudizierung" läßt sich <strong>in</strong> dieser<br />
Zeit nicht nur an <strong>der</strong> Sozialisierungsfrage nachweisen. Die gesamte<br />
Wirtschaftspolitik des unter Ehrhard geführten Wirtschaftsrats zeigte<br />
e<strong>in</strong>deutig, wie und unter Mithilfe von wem <strong>der</strong> alte Staat wie<strong>der</strong><br />
neu aufgebaut wurde. — Fazit: e<strong>in</strong>e Neuorientierung wurde durch<br />
die reaktionäre, auf Restauration h<strong>in</strong>zielende Grunde<strong>in</strong>stellung <strong>der</strong><br />
konservativen Parteien und das Fehlen e<strong>in</strong>er machtvollen, antifaschistischen,<br />
geme<strong>in</strong>samen Politik demokratischer Parteien auf <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en<br />
Seite, durch E<strong>in</strong>griffe <strong>der</strong> Besatzungsmächte auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite<br />
von vornhere<strong>in</strong> unterbunden. Die'Chance, von <strong>der</strong> Billerbeck zu Beg<strong>in</strong>n<br />
se<strong>in</strong>er Arbeit spricht, wurde nicht genutzt; man versuchte dort<br />
fortzufahren, wo man 1933 aufgehört hatte.<br />
Hervorzuheben ist, daß <strong>der</strong> Autor nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Unmenge empirischer<br />
Daten vers<strong>in</strong>kt, son<strong>der</strong>n den Gesamtkontext se<strong>in</strong>er Argumentation<br />
im Auge behält. Auch die äußeren Feldbestimmungen (im <strong>in</strong>ternationalen<br />
Rahmen: Besatzung, Beg<strong>in</strong>n des Kalten Krieges; im<br />
nationalen: Entwicklung <strong>der</strong> Parteien, Bundestagswahl, Herausbilden<br />
<strong>der</strong> CDU als „staatstragende" Partei) werden jeweils berücksichtigt<br />
und mite<strong>in</strong>bezogen. Trotz <strong>der</strong> Fülle des empirischen Materials bleibt<br />
die Arbeit gut lesbar. Das ist angesichts <strong>der</strong> Kompliziertheit und Differenzierung<br />
<strong>der</strong> empirischen Erhebung beson<strong>der</strong>s erfreulich.<br />
Indes muß hier auf e<strong>in</strong>en weiteren Punkt genauer e<strong>in</strong>gegangen<br />
werden: die Beurteilung kommunistischer und sozialdemokratischer<br />
Abgeordneter und Parteien und ihre antifaschistische Haltung vor