Klassenkämpfe in der BRD - Instituts für kritische Theorie (InkriT)
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Streikkämpfe iri <strong>der</strong> <strong>BRD</strong> 1971 bis 1974 391<br />
schlossene neue Manteltarifvertrag brachte gegenüber dem Manteltarifvertrag<br />
von 1963 wesentliche Verbesserungen: u. a. e<strong>in</strong>e Verkürzung<br />
<strong>der</strong> Arbeitszeit am 24. und 31. 12., e<strong>in</strong>e Erhöhung <strong>der</strong> Zuschläge<br />
<strong>für</strong> Spät- und Nachtarbeit, Verbesserungen <strong>der</strong> Lohnzahlung<br />
bei Unfällen, Verlängerung <strong>der</strong> Kündigungsschutzfristen. Diese<br />
neuen Regelungen folgen im wesentlichen den entsprechenden Bestimmungen<br />
<strong>der</strong> Tarifbezirke Südwürttemberg-Hohenzollern sowie<br />
Südbaden von Mitte 1972 bzw. Mitte 1973.<br />
E<strong>in</strong>e realistische E<strong>in</strong>schätzung dieses Ergebnisses darf sich nicht<br />
damit begnügen, es als „neben" dem Schiedsspruch liegend zu charakterisieren.<br />
Denn <strong>der</strong> neue Lohnrahmen II liegt e<strong>in</strong>deutig unter<br />
dem Schiedsspruch. Daß die Ersetzung des alten Manteltarifvertrages<br />
durch die Übernahme <strong>der</strong> günstigeren Regelungen aus den beiden<br />
an<strong>der</strong>en Tarifbezirken hier<strong>für</strong> e<strong>in</strong>e ausreichende Kompensation<br />
darstellt, wird von vielen Gewerkschaftern bezweifelt. Und ihr Argument,<br />
die Übernahme dieser Bestimmungen <strong>in</strong> Nordwürttemberg-<br />
Nordbaden sei ohneh<strong>in</strong> nur e<strong>in</strong>e Frage <strong>der</strong> Zeit gewesen, hat sicherlich<br />
vieles <strong>für</strong> sich. Auch die Auffassung, daß die Unternehmer durch<br />
Intensivierung <strong>der</strong> Kampfmaßnahmen zu e<strong>in</strong>er Anerkennung des<br />
Grundsatzes <strong>der</strong> <strong>in</strong>dividuellen Akkordabsicherung hätten gezwungen<br />
werden können, ist nicht von <strong>der</strong> Hand zu weisen. Die Bereitschaft<br />
<strong>der</strong> Metallarbeiter, hier<strong>für</strong> e<strong>in</strong>en entschiedenen Kampf zu führen,<br />
war e<strong>in</strong>deutig vorhanden. Und die Ausdehnung des Kampfes über<br />
den Stuttgarter Raum h<strong>in</strong>aus, d. h. die entschlossene Mobilisierung<br />
<strong>der</strong> Metallarbeiter <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Betriebe (<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Großbetriebe<br />
im Mannheimer Raum) hätte die Unternehmer mit großer<br />
Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit zu weiteren Zugeständnissen veranlaßt. Auf <strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>en Seite ist jedoch auch unbestreitbar, daß das erzielte Ergebnis<br />
e<strong>in</strong>e wesentliche Verbesserung <strong>der</strong> Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Metallarbeiter<br />
<strong>in</strong> Nordwürttemberg-Nordbaden bedeutet. Ja, darüber<br />
h<strong>in</strong>aus be<strong>in</strong>haltet es e<strong>in</strong>en Durchbruch von exemplarischer Bedeutung<br />
<strong>für</strong> alle Arbeiter <strong>der</strong> Bundesrepublik — über den direkt betroffenen<br />
Tarifbezirk und auch über die metallverarbeitende Industrie<br />
h<strong>in</strong>aus, <strong>der</strong> zur weiteren Mobilisierung <strong>für</strong> den Kampf um Verbesserung<br />
<strong>der</strong> Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen beitragen kann.<br />
V. Die Lohnkämpfe im Februar/März 1974<br />
Die Ausgangssituation <strong>für</strong> die Tarif runde 1974 war wesentlich an<strong>der</strong>s<br />
als e<strong>in</strong> Jahr zuvor. Hatte damals die Autorität <strong>der</strong> neugewählten<br />
sozialdemokratisch geführten Bundesregierung ohne weiteres<br />
ausgereicht, um durch Ausübung politischen Drucks e<strong>in</strong>en faktischen<br />
Null-Abschluß zu erzw<strong>in</strong>gen, so war diesmal die Bereitschaft, sich<br />
auf staatliche Versprechungen zu verlassen, bei <strong>der</strong> Arbeiterklasse<br />
und bei den Gewerkschaften <strong>in</strong> deutlich ger<strong>in</strong>gerem Maße gegeben.<br />
Im Gegenteil, es bestand das Bewußtse<strong>in</strong> e<strong>in</strong>es hohen Nachholbedarfs,<br />
das sich nicht zuletzt <strong>in</strong> verhältnismäßig hohen Ausgangsfor<strong>der</strong>ungen<br />
<strong>der</strong> Betriebe und Tarifkommissionen wi<strong>der</strong>spiegelte.<br />
Die Kampfbereitschaft, auch bei den Beschäftigten des öffentlichen