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Klassenkämpfe in der BRD - Instituts für kritische Theorie (InkriT)

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478 Besprechungen<br />

die Jahrhun<strong>der</strong>twende" festgestellt wird: „Wo Kraus den Untergang<br />

<strong>der</strong> Menschheit (...) prophezeite, stand <strong>in</strong> Wirklichkeit <strong>der</strong><br />

Untergang <strong>der</strong> österreichischen Monarchie und <strong>der</strong> bürgerlichen<br />

Kultur bevor. Kraus aber, <strong>der</strong> sich hartnäckig je<strong>der</strong> historischen<br />

Betrachtungsweise verschloß, mußten solche Zusammenhänge verborgen<br />

bleiben." (37) — Und mit dem H<strong>in</strong>weis: „E<strong>in</strong>e detaillierte<br />

Analyse dieser Zeit kann <strong>in</strong> <strong>der</strong> begrenzten Themenstellung dieser<br />

Arbeit nicht geleistet werden" (35), wird <strong>der</strong> methodische Ansatz <strong>der</strong><br />

Untersuchung, „Intention und Funktion e<strong>in</strong>es Kunstwerks <strong>in</strong>nerhalb<br />

se<strong>in</strong>er historisch-gesellschaftlichen Situation zu untersuchen" (9),<br />

vollends <strong>in</strong> Frage gestellt. Kraus' Kunstauffassung wird dann doch<br />

weitgehend im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er konventionellen Literaturgeschichte beschrieben:<br />

„Problematik des Jüdischen" — „Karl Kraus' Sprachauffassung"<br />

— „Maß des Klassischen" und schließlich: „Kraus' Stellung<br />

zu Stephan George" (37 ff.).<br />

Wenn Verf. das „gedankliche Paradoxon" bemerkt, daß Kraus'<br />

Gesellschaftskritik „auf dem Boden <strong>der</strong> sche<strong>in</strong>bar angegriffenen<br />

Gesellschaftsform gedeiht" (39), so f<strong>in</strong>den wir hier den akademisch<br />

blassen Aufguß dessen, was Franz Leschnitzer vor über 15 Jahren<br />

leidenschaftlich über se<strong>in</strong>en ehemaligen Mentor geschrieben hatte:<br />

„(...) se<strong>in</strong>e Rebellion ,gegen' die Bürgerwelt [spielte sich ab] auf <strong>der</strong><br />

bürgerlichen Basis eben dieser Welt. Auf e<strong>in</strong>er Bürgerbasis, die er<br />

unterm Fuß nicht zwecks Zerstampfung hatte, son<strong>der</strong>n weil er <strong>in</strong><br />

ihr zuständig war!" (F. Leschnitzer, Der Fall Karl Kraus, <strong>in</strong>: Die<br />

neue deutsche Literatur. Berl<strong>in</strong>, Nov. 1956, S. 66.) Die Autor<strong>in</strong> weiß<br />

zwar von Kraus' „materielle(r) Unabhängigkeit durch vorhandenes<br />

Kapital" (39), die daraus sich entwickelnde Unabhängigkeit se<strong>in</strong>er<br />

publizistischen Produktion (z. B. Bereitstellung von „unverkäuflichem<br />

Anzeigenraum" o<strong>der</strong> Abonnementsaufkündigung von seiten<br />

des Verlages bei „aufdr<strong>in</strong>glichen Lesern") und die damit gegebene<br />

Möglichkeit e<strong>in</strong>er selbstherrlichen Programmgestaltung bleiben allerd<strong>in</strong>gs<br />

bei <strong>der</strong> Erörterung von Kraus' künstlerischen Wertvorstellungen<br />

unberücksichtigt.<br />

E<strong>in</strong>e idealistische Betrachtungsweise zeigt Verf. bei <strong>der</strong> Darstellung<br />

<strong>der</strong> formalen Kriterien von Kraus' Polemik: Zwar wird<br />

se<strong>in</strong>e sche<strong>in</strong>bar willkürliche Zitiertechnik als „totalitäres Verfahren"<br />

(82) beklagt, an<strong>der</strong>erseits nimmt die Autor<strong>in</strong> die „Unsachlichkeit<br />

se<strong>in</strong>er Wertung" (82) <strong>in</strong> Kauf, weil sie an e<strong>in</strong> „Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Dialektik"<br />

glaubt, demzufolge „die Negation des als unzulänglich Erkannten <strong>in</strong>s<br />

Positiv-Konstruktive umzuschlagen ständig befähigt ist" (82). Das<br />

„Positiv-Konstruktive" vermag Verf. <strong>in</strong> Kraus' Polemik auch nicht<br />

zu entdecken: „Wo e<strong>in</strong> logischer Gedankenablauf kaum mehr zu<br />

entschlüsseln ist, wird (...) <strong>der</strong> Sprung von <strong>der</strong> Wahrheit zur Spitzf<strong>in</strong>digkeit<br />

allzu kle<strong>in</strong>. Die zugespitzte sprachliche Formulierung (...)<br />

verachtet das Bewußtse<strong>in</strong> des Lesers (...)" (87). Solchermaßen verschreckt<br />

von den „Zauberkunststücken e<strong>in</strong>es Wortvirtuosen" (87), hält<br />

die Autor<strong>in</strong> sichere Distanz zum Text und wirft Kraus vor, er arbeite<br />

sowieso nur mit e<strong>in</strong>em Repertoire von Wortwitzen, um „sich ihrer je<br />

und je zu bedienen" (86). Freilich s<strong>in</strong>d die dazu angeführten Stellen-

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