Scholz, GmbHG, 10. Auflage - Leseprobe - Verlag Dr. Otto Schmidt
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§64 Haftung für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung<br />
5. Erlaubte Zahlungen (§ 64 Satz 2)<br />
Ausnahmetatbestand: § 64 Satz 2 ist nicht bloß ein auf das Verschulden begrenzter,<br />
mit einer Beweislastregel verknüpfter Exkulpationstatbestand, etwa<br />
vergleichbar mit § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB 1 . Vielmehr nimmt § 64 Satz 2 Zahlungen,<br />
die „mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind“,<br />
schon tatbestandlich von dem Zahlungsverbot aus 2 . Es kann sich hierbei auch<br />
um Zahlungen an einen Gesellschafter handeln. Der Ausnahmetatbestand ist<br />
im Übrigen eng auszulegen 3 . Die Darlegungs- und Beweislast für diesen Tatbestand<br />
tragen die Geschäftsführer bzw. Liquidatoren 4 .<br />
a) Unverboten sind Zahlungen, die die Masse nicht schmälern5 . Das ergibt sich<br />
nach der hier vertretenen Ansicht schon daraus, dass § 64 nichts anderes ist als<br />
eine Haftung für schuldhaft verursachte Gläubigerschäden (Rdnr. 10) und dass<br />
auch Gegenleistungen verrechnet werden (Rdnr. 31).<br />
b) Unverboten sind Zahlungen, die kraft Gesetzes geleistet werden müssen. Der<br />
Grundsatz heißt: Zwingende Zahlungsgebote haben Vorrang vor dem allgemeinen<br />
Zahlungsverbot6 . Dies gilt insbesondere für die Erfüllung steuerlicher Pflichten<br />
(§ 69 AO) 7 , namentlich für die Abführung von Lohnsteuer8 sowie für die strafbewehrte<br />
Pflicht zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen (vgl. § 266a<br />
StGB) 9 . Mit dieser überzeugenden Lösung ist die Rechtsprechung überholt, die<br />
eine Pflichtenkollision ausgelöst hatte, weil der Geschäftsführer nach ihr in diesen<br />
Fällen die Wahl hatte, ob er sich nach § 266a StGB strafbar10 oder nach § 64<br />
bzw. § 130a HGB schadensersatzpflichtig machen wollte. Im Zuge dieser Rechtsprechung<br />
hatte der II. Zivilsenat des BGH ausgesprochen, dass die gesellschaftsrechtliche<br />
Erstattungspflicht von diesen strikten Zahlungsverboten unberührt<br />
bleibe11 . Das bedeutete, dass der Geschäftsführer durch die strafrechtlich gebote-<br />
1 In dieser Richtung aber der BGH, der in BGHZ 146, 264, 274 f. = GmbHR 2001, 190,<br />
193 = NJW 2001, 1280, 1282 = ZIP 2001, 235, 238 vom „Verschulden nach § 64 Abs. 2<br />
S. 2“ spricht.<br />
2 So schon 9. Aufl., Rdnr. 27; wohl h.M.; vgl. Casper, in: Ulmer, Rdnr. 89 ff.<br />
3 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 19.<br />
4 BGHZ 146, 264, 274 = GmbHR 2001, 190, 193 = ZIP 2001, 235, 238; Casper, in: Ulmer,<br />
Rdnr. 89; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11.<br />
5 So schon 9. Aufl., Rdnr. 26.<br />
6 Vgl. nur Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 19; Karsten <strong>Schmidt</strong>, in: Karsten<br />
<strong>Schmidt</strong>/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rdnr. 11.46; Casper,<br />
in: Ulmer, Rdnr. 92 vermisst hierfür einen dem Satz 2 gewissermaßen vorgelagerten<br />
Tatbestand; ein solcher ist indes nicht erforderlich.<br />
7 Zusammenfassend BGH, GmbHR 2008, 1324 = ZIP 2008, 2220; BGH, GmbHR 2007,<br />
757 = NJW 2007, 2118 = ZIP 2007, 1265; OLG Brandenburg v. 16. 1. 2008 – 7 U 108/07.<br />
8 BGH, GmbHR 2008, 813, 814 = NJW 2008, 2504, 2505 = ZIP 2008, 1229, 1230.<br />
9 BGH, GmbHR 2007, 757 = NJW 2007, 2118 = ZIP 2007, 1265; bestätigend BGH,<br />
GmbHR 2008, 815 = ZIP 2008, 1275; zust. Casper, in: Ulmer, Rdnr. 91; Kleindiek, in:<br />
Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13; eingehend dazu Wilhelm, ZIP 2007, 1781; Arends/Möller,<br />
GmbHR 2008, 169 ff.; Streit/Bürk, DB 2008, 742 ff.; Heeg, DStR 2007, 2134 ff.<br />
10 Für Vorrang des § 266a StGB BGH, GmbHR 2004, 122 = NJW 2003, 3787 = ZIP 2003,<br />
2213; BGH, GmbHR 2005, 1419 = NJW 2005, 3650 = ZIP 2005, 1678.<br />
11 BGH, GmbHR 2005, 874 = ZIP 2005, 1026; grundlegend BGHZ 146, 264 = GmbHR<br />
2001, 190 = NJW 2001, 1280 = ZIP 2001, 235; eingehend Köhler, in: Beck/Depré, Praxis<br />
der Insolvenz, § 24 Rdnr. 167 ff.<br />
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Karsten <strong>Schmidt</strong>