Scholz, GmbHG, 10. Auflage - Leseprobe - Verlag Dr. Otto Schmidt
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§64 Haftung für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung<br />
satzpflicht nach § 64 Satz 3 darin, dass nicht die Gesellschafter, sondern die<br />
Geschäftsführer als Handelnde haften (zur Gesellschafterhaftung vgl. Rdnr.<br />
100 f.). Insofern haben die Existenzvernichtungshaftung und die Geschäftsführerhaftung<br />
nach § 64 Satz 3 nichts miteinander zu tun 1 . Auch Aufsichtsratsmitglieder<br />
sind nicht Normadressaten (zu ihrer Haftung vgl. Rdnr. 101).<br />
d) Betrachtung ex post und ex ante: § 64 Satz 3 formuliert einen Anspruch der<br />
Gesellschaft gegen die dem Zahlungsverbot zuwiderhandelnden Geschäftsführer.<br />
Die Sichtweise des Gesetzes ist damit eine Sichtweise ex post, und zwar<br />
aus der Perspektive der Gesellschaft (nach Insolvenzverfahrenseröffnung: des<br />
Insolvenzverwalters) bzw. des über den Erstattungsanspruch entscheidenden<br />
Zivilgerichts. Die ungeschriebene Prämisse und zentrale Regelung des § 64<br />
Satz 3 ist indes das Verbot von Zahlungen an Gesellschafter, die zur Zahlungsunfähigkeit<br />
führen müssen. Diese ex-ante-Betrachtung zeigt, dass es sich, ähnlich<br />
wie bei den Insolvenzantragspflichten um insolvenzbezogene Organpflichten<br />
der Geschäftsführer handelt (vgl. Rdnr. 66 sowie Anh. § 64 Rdnr. 1, 3).<br />
Diese setzen nach § 64 Satz 3 bereits vor der materiellen Insolvenz (Überschuldung<br />
oder Zahlungsunfähigkeit) ein.<br />
e) Zwingendes Recht: § 64 Satz 3 ist zwingend. Die Bestimmung kann weder<br />
durch Gesellschaftsvertrag noch durch Vereinbarung ausgeschlossen werden.<br />
Ein mit § 64 Satz 3 unvereinbarer Gesellschafterbeschluss (Weisungsbeschluss)<br />
bindet die Geschäftsführer nicht 2 . Der Beschluss ist damit allerdings nicht ohne<br />
Weiteres nichtig, wenn die Auszahlung mit § 64 Satz 3 unvereinbar wäre. Dies<br />
ist er nur, wenn der Geschäftsführer zum Ungehorsam gegen § 64 Satz 3 aufgefordert<br />
wird (vgl. sinngemäß zu § 30 § 45 Rdnr. 74). In anderen Fällen genügt,<br />
dass der Beschluss die Geschäftsführer nicht bindet. Ein Verbotsgesetz i.S. von<br />
§ 134 BGB ist § 64 Satz 3 nicht (Rdnr. 92). Die verbotene Zahlung ist nicht<br />
nichtig und muss nicht schon wegen dieses Verstoßes nach § 812 BGB zurückgezahlt<br />
werden.<br />
f) Verhältnis zu anderen Vorschriften: § 64 Satz 3 und § 30 schließen sich nicht<br />
aus (Rdnr. 71). Dieselbe Zahlung kann Ansprüche gegen die Empfänger nach<br />
§ 31 und gegen die Geschäftsführer nach § 64 Satz 3 begründen 3 . Dasselbe gilt<br />
im Verhältnis zu §§ 129 ff. InsO (Insolvenzanfechtung gegen den Empfänger)<br />
und zu §§ 812 ff. BGB (Bereicherungsanspruch gegen den Empfänger). Über<br />
Schadensersatzpflichten vgl. Rdnr. 97 ff.<br />
g) Rechtspolitische Bewertung: Das rechtspolitische Urteil fällt zwiespältig<br />
aus 4 . § 64 Satz 3 ist Bestandteil der durch das MoMiG insgesamt verschärften<br />
Geschäftsführerhaftung 5 . Im Verhältnis zu § 30 dokumentiert die Bestimmung<br />
gleichzeitig einen Kompromiss hinsichtlich der beim Kapitalschutz nach § 30<br />
1 Unnötig deshalb die Begr. RegE MoMiG, BT-<strong>Dr</strong>ucks. 16/6140, S. 46; danach ist Satz 3<br />
„keine abschließende Regelung der Existenzvernichtungshaftung und greift demgemäß<br />
der weiteren Rechtsfortbildung nicht vor“.<br />
2 Begr. RegE MoMiG, BT-<strong>Dr</strong>ucks. 16/6140, S. 47.<br />
3 Begr. RegE MoMiG, BT-<strong>Dr</strong>ucks. 16/6140, S. 46; Streit/Bürk, DB 2008, 742, 750.<br />
4 Überblick bei Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 56 ff.<br />
5 Karsten <strong>Schmidt</strong>, GmbHR 2008, 449; S. Meyer, BB 2008, 1742.<br />
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Karsten <strong>Schmidt</strong>