Scholz, GmbHG, 10. Auflage - Leseprobe - Verlag Dr. Otto Schmidt
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Haftung für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung §64<br />
b) Gegenansicht: Hier wurde bereits in den Vorauflagen (9. Aufl., Rdnr. 10, 23,<br />
35, 77) ein dem § 130a Abs. 2 Satz 1 HGB folgendes Einheits- oder Integrationsmodell<br />
vorgelegt 1 . Grundlage dieses Einheitsmodells ist das bei Rdnr. 6 ff. erläuterte<br />
Normverständnis, das die Rechtsfolgen der Insolvenzverschleppung<br />
und der „verbotenen Zahlungen“ koordiniert (vgl. auch Rdnr. 10). Auf der Sanktionsseite<br />
gibt nicht der aus dem Jahr 1892 – also vor Einführung des § 823<br />
Abs. 2 BGB – stammende § 64, sondern der von 1976 stammende § 130a Abs. 2<br />
Satz 1 HGB die Rechtsfolge zutreffend wieder 2 . Die Bestimmung handelt vom<br />
Schadensersatz bei Insolvenzverschleppung (Rdnr. 14). Zweierlei kommt in der<br />
Bestimmung zum Ausdruck: (1) Die Sanktion der sog. Zahlungsverbote ist<br />
nicht verschieden von der Sanktion der im Anhang zu § 64 erläuterten auf<br />
§ 15a InsO gestützten Insolvenzverschleppungshaftung. (2) Die Sanktion zielt<br />
auf Ersatz des Gesamtgläubigerschadens durch Schadensersatzleistung in das<br />
Gesellschaftsvermögen (die Masse). (3) Die Wirkung des § 64 Satz 1 innerhalb<br />
dieser Schadensliquidation besteht allein in einer Verkürzung der Darlegungsund<br />
Beweislast: Wer für die Gesellschaft den Ausgleich des Gesamtgläubigerschadens<br />
einfordert, kann dies vorbehaltlich des Gegenbeweises unter Darlegung<br />
der verbotenen Zahlungen tun. Eine solche Klage ist schlüssig. Diese<br />
durch § 130a Abs. 2 HGB angeordnete Koordinierung von Insolvenzverschleppungshaftung<br />
und Erstattung verbotener Zahlungen ergibt auch – anders als die<br />
Lösung des BGH – stimmige Ergebnisse (näher Rdnr. 56 ff.).<br />
c) Zur nachfolgenden Kommentierung: Die Kommentierung wird die Auffassung<br />
des BGH als gegenwärtige Gerichtspraxis dokumentieren. Die Maxime<br />
von Rdnr. 16 gilt auch hier. Wie bei Rdnr. 17 gilt aber auch: Der BGH-Praxis<br />
wird zugleich ein Gegenmodell kritisch gegenübergestellt. Die Gerichte sind<br />
aufgerufen, ihre Entscheidungspraxis zu ändern. Der praktische Vorzug der<br />
h.M. besteht allerdings in der Schärfe der Sanktion und in der Einfachheit der<br />
Rechtsverfolgung. Die Bedenklichkeit der h.M. liegt dagegen in der Unverhältnismäßigkeit<br />
der Sanktion.<br />
2. Rechtsprechung und herrschende Meinung: schlichte Erstattung und Verfolgungsrecht<br />
a) Der Erstattungsanspruch geht nach der Rechtsprechung als „Ersatzanspruch<br />
eigener Art“ 3 auf unverkürzte Rückerstattung jeder einzelnen verbotenen Zahlung<br />
unabhängig von der Entstehung eines deckungsgleichen Gesamtgläubigerschadens<br />
4 . Die nach § 64 bzw. nach § 130a Abs. 2 HGB zu leistende Erstattung<br />
1 Vgl. Karsten <strong>Schmidt</strong>, in: Karsten <strong>Schmidt</strong>/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung<br />
und Insolvenz, Rdnr. 11.34 ff.; Karsten <strong>Schmidt</strong>, in: MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2006,<br />
§ 130a HGB Rdnr. 44; Karsten <strong>Schmidt</strong>, ZHR 168 (2004), 637, 650 ff.; Karsten <strong>Schmidt</strong>,<br />
KTS 2001, 373, 388; Karsten <strong>Schmidt</strong>, ZIP 2005, 2177, 2184 f.; Karsten <strong>Schmidt</strong>, ZIP<br />
2008, 1401, 1402; dazu auch Poertzgen, Organhaftung, S. 226.<br />
2 Insoweit übereinstimmend Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 27; Altmeppen, ZIP<br />
2001, 2201, 2206 f.; zur hier vertretenen Ansicht vgl. Karsten <strong>Schmidt</strong>, ZHR 169 (2004),<br />
637, 640, 660; Karsten <strong>Schmidt</strong>, ZIP 2008, 481, 491; zust. Poertzgen, Organhaftung, S. 226.<br />
3 BGHZ 146, 264, 278 = ZIP 2001, 235, 239; zuletzt BGH, ZIP 2008, 1026 = DB 2008,<br />
1202.<br />
4 Vgl. dazu Goette, in: FS Kreft, 2004, S. 53 ff.; Goette, DStR 2001, 179.<br />
Karsten <strong>Schmidt</strong> | 4181<br />
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