Ganske_Lauf9.indd 1 01.11.2005 14:54:40 Uhr - Ganske ...

An einem Ostertag lädt der Landrat Eitel Höhne ihn und den
Verleger zu einer Ringgauer Wurstprobe ein, »das geheime Wesen
dieser Landschaft – so erklärte der Landrat schlicht – erschließe
sich, wenn überhaupt, dann nur bei einer Wurstprobe. Die Wurst
als Erkenntnisvehikel.« Der Text schildert ein Ringelgebirge, verwurstete
Vielfalt auf Holzbrettern und den Verleger, dem er in
diesem literarischen Kabinettstück eine überwiegend stumme
Rolle zuweist, und doch entsteht in wenigen Strichen das Bild
eines Menschen, der gern isst und der andere daran teilhaben
lässt: »Bevor K.G. das Messer nahm, machten wir die Geschmacksnerven
empfänglich, wir kippten einen Klaren, der nach Wacholder
duftete, stellten Bier und Brot bereit. Listig lächelnd führt
K.G. den ersten Schnitt, sorgfältig spießte er die Scheiben auf
und reicht sie über den Tisch.« K.G. säbelte, die Herren tranken
Glas auf Glas.
Mehr Würste werden aufgetragen, »eine wohlige Schwere hielt
uns auf den Stühlen, es summte in den Köpfen, und plötzlich holte
der Landrat seine Brieftasche hervor und entnahm ihr einen
Geldschein, frisch gedruckt. Die Währung war mir unbekannt, sie
wurde weder in Frankfurt noch in Zürich notiert, nur das sympathische
Gesicht auf dem Geldschein war mir vertraut: Es war
das Gesicht des Landrats. Der Einfachheit halber nannte er die
Währung Höhner; und ein Höhner sollte gut sein für fünf Mark.
Ich begann hellhörig, hellsichtig zu werden. Bereitete sich hier
eine Lossagung vor? Verlangte der Ringgau nach Autonomie?
Nachdem K.G. uns einen Doppelten eingeschenkt hatte, äußerte
ich meinen Verdacht, und K.G. bestätigte, daß im Werraland etwas
Außerordentliches vor sich gehe, das ganz Europa in Staunen
versetzen werde. Die Währungsprobleme, immerhin, habe man
bereits gelöst. Höhner, das höre sich doch gut an, freundlicher
jedenfalls als Drachme oder Escudo.
Eine Hartwurst, die gut und gern als Polizeistock hätte Verwendung
fi nden können, brachte mich in die Gegenwart zurück.
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